Spendentouren
Extremtouren chronologisch
Bisherige Sponsoren


Hier ist der Link zum Fernsehbeitrag des rbb.




1200km bis London (erreichte Zeit: 48h 50min)

Start erfolgte pünktlich am 3.Juni 21Uhr am Kreisverkehr Ortrand.


2011 stand bei der neuen Herausforderung wieder eine enorme Steigerung ins Haus. Die Erfahrungen, die ich bei der 700km Tour sammeln konnte, sollten mir helfen diese Steigerung abzufedern. Trotzdem war diesmal reichlich Respekt dabei.

Bürgermeister bei Wappenübergabe

Mit einer riesen Verabschiedung am Ortrander Kreisverkehr startete ich auf die bisher größte Tour. Den kleinen Umweg um den Harz nahm ich in Kauf, zu Gunsten einer ebeneren Strecke.


Strecke nach London.html

Ortrand


London


Wer für einen guten Zweck ein tolles Zielautogramm mit der Tower-Bridge im Hintergrund haben möchte, der sollte sich an der unten beschriebenen Spendenaktion beteiligen. 

Unterstützt durch: siehe "Kontakt & Sponsoring"

Spendenaufruf für Sarah         

Man kann sich nicht vorstellen, was es für eine riesige psychologische Hilfe ist, wenn man für einen guten Zweck fährt. Die Stadt Ortrand hat den Stein dafür ins Rollen gebracht.

Ich war oft am überlegen, ob man eine Einrichtung unterstützt u. da ein paar Sachen finanziert, die benötigt werden, aber das ist mir etwas zu unpersönlich. Dadurch hab ich mich entschieden einem Einzelschicksal etwas unter die Arme zu greifen, da hat die Spende dann auch ein Gesicht.

Dabei geht es um ein Mädchen, dem mit 5 Jahren ein Bein amputiert werden musste.
Zuerst sollte das nicht passieren, weil die Ärzte schon keine Chance gegen den bösartigen Krebs mehr sahen. Dann hatte man es doch umgesetzt, aber man kann sich nicht vorstellen, wie stark dabei die Mutter sein musste, die ihrem 5 jährigen Mädchen erklären sollte, dass das Bein ab muss.
Alle hatten Sarah immer getröstet u. gesagt „Du bekommst dann ein anderes, neues Bein“. Für die Kleine war in dem Alter dabei noch das Verständnis, dass das Bein nachwächst.

Ich weiß nicht, wie lange sie darauf gewartet hat.

Damit war aber noch nichts zu Ende.
Die weitere Pflege u. Betreuung kosteten der Familie nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld. Finanzielle Mittel, die man hätte mehr in zeitweise Ablenkung u. Auszeiten durch positive Erlebnisse hätte stecken können. Der Vater ist seither von morgens bis abends arbeiten u. die Mutter kann als Raumpflegerin leider auch nur bescheiden dazu beitragen.

Die Tragödie ging mit Komplikationen weiter, in dem ihr Knochen schneller wuchs, als die Stumpfhaut. Die Schmerzen, die Sarah die ganze Zeit hatte, konnten erst dann erklärt werden, als der Knochen durch die Haut durchdrückte.
Die notwendigen Prothesenschäfte können nicht in der Schnelligkeit finanziert werden, wie Sarah wächst. Dadurch ist ihr Stumpf immer blutig gerieben, was man ihrer Gangart oft ansieht. Die Krankenkassenprothese ist im Fußgelenk steif u. auch sonst funktionell wie ästhetisch nicht so wie man sich das heut zu Tage wünschen würde. 

Als ich mich bei der Familie vorstellte, ihr Schicksal direkt erfuhr u. sie damit konfrontierte, dass ich mich entschlossen hatte am 3. Juni auch für Sarah zu fahren, da waren alle völlig fassungslos u. zu Tränen gerührt.
Sie fragten mich unter anderem auch, wie man solch enorme Strecken überhaupt bewältigen kann.

Für mich gab es zu diesem Zeitpunkt nur eine Antwort:

„Ihr habt über Jahre solch eine schwere u. belastende Zeit erlebt, die die meisten Menschen nicht mal nachvollziehen können, da erscheinen mir 2Tage n´bissl Radfahren als nicht erwähnenswert.“


Ich bin mir sicher, du hättest dich bestimmt auch für éine Unterstützung von Sarah entschieden.

Bitte hilf mir ihren Traum einer funktionellen Prothese zu erfüllen:

Eigens eingerichtetes Spendenkonto für Sarah:
Konto:                Frank Höfer
Kont:                  13 800 200 30
BLZ:                   18055000 Sparkasse Niederlausitz






Bitte Kontaktdaten an mich mailen, wer wieviel gespendet hat, damit es mit der Überweisung abgeglichen werden kann u. ich das Autogrammfoto bereithalten kann.                                                                                                                               Mail: peggy-frank@t-online.de


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Am 3. Juni 2011 um 20:00 Uhr machte ich mich auf den Weg zum Kreisverkehr in Ortrand, dem Startpunkt meiner 1200km langen Tour nach London. Das Versorgungsfahrzeug war mit allen möglichen Utensilien für die Tour so stark bepackt, dass es mir nicht gelang, das Rad zu verstauen und ich somit die 4km bis dahin als Entspannung nutzte. Eine Entspannung, die mir gerade recht kam, denn vor lauter Aufregung konnte ich schon die letzten Stunden nicht mehr ruhig sitzen. Auf dem Weg zum Start begleitete mich zufällig eine Truppe Sportlerfrauen mit dem Fahrrad, die ihr Training vorzeitig beendet hatten, um beim Start dabei sein zu können.

Beim Eintreffen am Kreisel war ich überrascht, wie viele Menschen schon vor Ort waren, um mich zu verabschieden u dabei war es doch erst 20:00 Uhr. Es strömten immer mehr Zuschauer hinzu. Leider konnte ich nicht mit jedem ein persönliches Wort wechseln, da jeder seine Fragen hatte und auch die Presse noch ein Artikel mit Bild für die Sonntagsausgabe haben wollte.

Aber - wie versprochen - hab ich Einblicke in das mit Ausrüstung vollgestopfte Versorgungsfahrzeug gewährt und Antworten zu den meist gestellten Fragen gegeben. Gleichzeitig gab ich offiziell den Zweck meines Spendenaufrufes bekannt, obgleich mir schon viele Leute ohne bekannt werden des Zweckes genug Vertrauen entgegenbrachten und vorher gespendet hatten. Als ich dann kurz die Geschichte von Sarah erzählte und sie als einen motivierenden Antrieb meiner Tour persönlich vorstellte, musste ich mich ganz schön zusammenreißen, als ich sah, dass es nicht nur mein Herz berührte.


Immer auch die Zeit im Auge - denn 21:00 Uhr sollte der pünktliche Start erfolgen - kamen auch die beiden Bürgermeister Ingo Senftleben (Ortrand) und Roland Pohlenz (Lauchhammer) zu Wort. Beide Bürgermeister reagierten bei Bekanntwerden meiner Aktion spontan mit der Zusage zur Spende. Die netten Wort und Wünsche sollten mich noch ein ganzes Ende begleiten. Eine sehr überraschende und tolle Geste fand ich, als mir das Stadtwappen der Stadt Ortrand zur Übergabe an London mitgegeben wurde. Jetzt hatte ich indirekt noch einen Auftrag für meine London-Tour zu erfüllen, der ebenso verpflichtete. 20:55 Uhr startete ich mit Sarah für 2 Runden um den Kreisverkehr und verabschiedete mich somit von Sarah und von allen, die mir am Start viel Kraft gegeben hatten.

Anschließend fuhr ich in Richtung Autobahnbrücke und lies das Abenteuer beginnen. Dort wurde ich von einem begeisterten Radsportler traditionell im Windschatten in Empfang genommen. Es stellte sich heraus, dass Erhardt Jahn – so hieß er - schon 70 Jahre alt ist und derart begeistert war, als er von meiner Tour hörte, dass es für ihn als selbstverständlich galt, mich bis auf die B169 zu begleiten.


Er war zu meinem Erstaunen sehr professionell eingestellt, denn ich wollte mich gern noch mehr mit ihm unterhalten, aber er untersagte mir, viel zu reden, damit ich meine Luft schonen konnte. Erhardt fuhr zudem genau die Geschwindigkeit, die ich geplant hatte und er zog dies auch exakt über die ganzen 15km hinweg durch, und zwar auch auf dem langen Gegenwindstück. Hut ab vor so viel Aufopferung. Danke Erhardt.


Auf der B169 angekommen, gab es zu meinem Erstaunen noch jemanden, der mir mit seinem Auto ein wenig Eskorte gegeben hatte. In Höhe Bad Liebenwerda wurde es dann sehr ruhig und auch sehr dunkel um mich herum.


Nach ca. 110km trat die erste Unvorhersehbarkeit ein - eine Umleitung. Ca. 5km, die mir gar nicht in den Kram passten, denn sie kosteten viel Zeit. Auch das Risiko, einen materiellen Verlust zu erleiden, wenn es über Holperstraßen geht, war sehr hoch. Mittlerweile hatte ich mich gut an die nächtlichen Lichtverhältnisse gewöhnt und auch das altbewährte Versetztfahren zum Versorgungsfahrzeug, um nicht dem eigenen Schatten ausgesetzt zu sein, klappte sehr gut. Ca. 2:00 Uhr nachts stürzte sich ein sehr kleiner Fuchs fast vor mein Rad. Die Marktlücke “Fuchs in Scheiben” hätten meine Speichen bei meiner Geschwindigkeit schnell geschlossen.

Bei ca.130km wartete die nächste Umleitung auf mich und mein Zeitplan schien sich zu verabschieden. Leider habe ich keinen Tacho mit Licht. Daher gleicht eine Nachdurchfahrt immer einem Blindflug, auf dem ich weder Kontrolle über Zeit, Geschwindigkeit, noch Herzfrequenz habe. Nur die regelmäßigen Zeichen vom Versorgungsfahrzeug für die Getränke und Essenübernahme zeigten mir, dass die nächsten 30km geschafft waren.

Meine geplante „Ein-Stopp-Strategie“ für den ersten Tag wurde durch klare Ansage meiner Tochter auf “dringende Pullerpause” zu Nichte gemacht. Aber was für sie dringend schien, kam mir auch gerade recht. Dabei konnte ich meinen Tacho im Licht unter die Lupe nehmen und stellte fest, dass ich mit einem Durchschnittspuls von 132 und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 32,5km im geplanten Rahmen lag.

Auf dem nächsten Streckenabschnitt kreuzte mich ein Marder. Diese kleinen Abwechslungen lockern die nächtliche Einsamkeit etwas auf. Zudem ist es ein gutes Gefühl, nicht allein auf der Straße unterwegs zu sein.


In der härtesten Zeit der Nacht - nach 6 bis 7 Stunden Fahrt - musste ich auf die Hilfe des Koffeins zurückgreifen, da ich ein Tief ansteuerte. Zu meinem Erschrecken fühlte ich eine Unterzuckerung nahen. Es war die Zeit, in der ich auch auf die Hilfe meiner Erinnerung an die tolle Verabschiedung am Kreisverkehr zurückgriff.

In den Morgenstunden rannte mir doch fast ein Igel unter den Reifen, den ich dann bestimmt nicht mehr flicken bräuchte. Kurz danach stand ich dann auch noch Auge in Auge mit einem Reh, was wahrscheinlich so sehr erstaunt war, um diese Zeit einen Radfahrer zu entdecken, dass es mich bis auf ca. 5m herankommen lies, bevor es parallel im Straßengraben ein Stück neben mir her rannte. Alles in allem war in dieser Nacht reichlich los auf der Straße. 


Insgesamt war die Nacht mit 14°C doch sehr kühl und ich war froh, wieder in den Tag hinein zu fahren, denn ich hatte immer noch sehr viel Angst durch die Anstrengung und Kälte einen Gripperückschlag zu bekommen, die ich erst vor 3 Tagen losgeworden bin. So prüfte ich durch ständiges Schlucken, ob sich schon wieder Halsschmerzen einstellten.


Nach 240km war es dann bereits wieder so hell, dass ich meinen Tacho sehen und prüfen konnte. Als ich den Morgentau wegwischte, fiel kurz die Anzeige aus und zu meinem Entsetzen stand sie danach im Einstellungsmodus, der eigentlich nur nach einem Batteriewechsel auftritt. Der größte Schock trat ein, als ich erkennen musste, dass alle Daten gelöscht waren. Das Letzte, was sich mir einbrannte, war der Durchschnittspuls von 135. Meinen Fluch über die Technik hat man bestimmt schon in London gehört.


Alle Daten, die mich persönlich als Analyse dieser Strecke sehr interessierten, waren unwiederholbar futsch. Zu dieser Zeit wurden die Schmerzen im Nacken immer stärker - Schmerzen, die vom Hochhalten des Kopfes aus der flachen Fahrlage herrührten. 

Um 8:00 Uhr war es bereits derart heiß, dass ich meinen Stopp zum Sachenwechsel um eine Stunde vorzog. Der Helm aus der Nacht, den ich am Kreisel kurz vorstellte, hatte seine Spuren in meine Stirn eingerieben, aber während der kalten Nacht gute Arbeit geleistet. Doch nun musste der Nachthelm schnell runter, um Platz für den kühlenden Helm zu schaffen.


Der Tagesabschnitt wurde immer heißer und nachdem ich mich in der kühlen Nacht mit guter Kleidung revanchierte, konnte ich leider die sich steigernde Hitze nur aussitzen. Die ersten schmerzenden Druckstellen vom Sattel ließen das Ganze fast unerträglich erscheinen. Jetzt war mir aus vergangenen Touren bewusst, dass die Schmerzen kontinuierlich zunehmend immer unerträglicher werden. Richtig Angst hatte ich davor, dass ich mir im Schritt offene Blessuren reibe, die den zweiten Teil der Fahrt verhindern könnten.

In den großen Städten ergab sich ein weiteres Problem, welches ich im Vorfeld nicht so detailliert betrachtet hatte - die Ampeln. In Minden war es mittlerweile so heiß, dass bei jeder gestandenen Ampel die aufsteigende Hitze vom Gefühl dem Öffnen einer Saunatür glich. Obwohl ich meine zusätzliche Salzzugabe im Getränk erfahrungsgemäß etwas reduziert hatte, fühlte sich mein Mund jetzt fast permanent trocken an. Meine ständige Flüssigkeitszufuhr konnte erstaunlicherweise auch nichts daran ändern. Der Mund blieb weiterhin trocken. Zudem stellte sich etwas Unbehagen ein.

In Braunschweig ging wegen einer Rechtendemo alles drunter  und drüber, da die Straßen abgesperrt und der Verkehr umgeleitet wurden. Zeitplan ganz ade! Kontrolle über eigene Physis ebenfalls. Jeder kennt das Gefühl, wenn man bei 32°C joggt, dann einen Sprint hinlegt und danach sofort stehenbleibt, man scheint förmlich aufzukochen. Leider gab es bis Hannover keinerlei Schatten, da keine Wolke am Himmel zu sehen war. Also bestes Wetter zum Baden, aber nicht für dieses Extrem.


Bei der Fahrt durch Minden wurde ich durch das Anhalten an den vielen Ampeln der Innenstadt richtig „abgekocht“. Meist hielt ich mich links am Versorgungsfahrzeug fest, um nicht an jeder Ampel aus den Pedalen ausklicken zu müssen. Die Temperatur zwischen dem Versorgungsfahrzeug und einem Linksabbieger stieg in ohnmächtige Höhe, da kein Lüftchen wehte.

Meine Getränke benötigten zusätzliche Kohlenhydrate, um die dringend notwendige Energie zur Verfügung zu stellen. Essen funktioniert bei Hitze und Belastung nicht gut. Kohlenhydrate stehen aber konträr zur benötigten Wasserresorption. Die Dehydration war unausweichlich. Leider hatte ich auch nicht bemerkt, dass ich meine orangenen Brillengläser noch nicht gewechselt hatte, die ich in den Morgenstunden mit den klaren Gläsern für die Nacht ausgetauscht hatte. Somit war ich auch dem grellen Licht unbemerkt ausgesetzt. Als sich um mein Sichtfeld ein weißer Schleier abzeichnete, bemerkte ich, was gerade mit mir geschah.


100km vor Tagesziel zogen wir dann die Reißleine, da sich auch schon ein leichter Kopfdruck einstellte. Ich hatte Angst, am zweiten Tag völlig flach zu liegen. Der Blick auf die Waage bestätigte dieses Gefühl. 3,3kg weniger als bei Start sagten alles, wenn man weiß, dass ich sonst mit 0 bis1kg Differenz meine Ziele erreicht habe.

Mein weiterer Plan: Die geplanten 8 Stunden Ruhephase dafür nutzen, um in der Zeit von 19 bis 22 Uhr die Tageskilometer in der Nähe des Hotelstandorts nachzuholen. Das Hotelteam empfing uns mit offenen Armen. Der Koch war in Sachen Essensberatung, Verdaulichkeit und Nährwert derart entgegenkommend, dass ich mich gern mehr mit ihm unterhalten hätte, doch leider blieb keine Zeit. Ich nahm eine erfrischende Dusche, genoss das in der Zeit zubereitete leckere Essen und legte mich noch kurz 45 Minuten aufs Ohr. Danach schlüpfte ich in neue Radsachen. Zu meinem Erstaunen war nichts aufgerieben, Schmerzen verspürte ich dennoch. So brach ich auf einen Rundkurs in Hotelnähe auf, um im Pannenfall schnell zurückkommen zu können.


Im Hotel wurden unterdessen meine 12 Trinkflaschen gespült, die nächsten Brötchen als Verpflegung für den zweiten Teil der Tour fertig gestopft, eine Melone als Erfrischung geschnitten und auch die beliebte Hühnernudelsuppe erhitzt, um anschließend in eine Thermoskanne abgefüllt zu werden. Die Angestellten des Hotels kümmerten sich wirklich perfekt um alles, sodass ich sie im Nachhinein als ein Teil des Teams betrachten möchte, welches zum Gelingen der Tour beigetragen hat.


Mein anderes kleines Teilteam, fiel nach Erledigung aller Aufgaben sofort in ein Schlafkoma.

Ca. 22:00 Uhr näherte sich dann auch mein Tagesabschluss. Nur noch schnell geduscht und so viel Melone wie möglich rein geschlungen, um die fehlenden Kilos wieder aufzufüllen.

Ich stellte meinen Wecker auf ca. 20 Minuten vor dem nächsten Start. Die Zeit würde mir reichen, um mich anzuziehen, kurz etwas zu essen und aufs Rad zu springen. Dabei war ich davon ausgegangen, dass mein Team im Schlafkoma seinen Wecker schon reichlich eher eingestellt hatte, um bereits vor meinem Erwachen alles startfertig zu machen.

Der erste Schock saß tief, als der Wecker schellte, denn ich hatte die Augen doch gerade erst geschlossen. Von 4 Schlafphasen, die man periodisch im Schlaf immer wieder durchwandert, hatte ich wahrscheinlich nur die erste kurz angekratzt. Die Augen brannten, als hätte mir jemand Sand hinein geworfen. Der Körper bewegte sich, obwohl mein Geist noch fest ins Kopfkissen gepresst schlief.

Der zweite Schock ließ mich aber sofort hochschnellen, als ich bemerkte, dass alles um mich herum auch noch schlief. Wir hatten uns gegenseitig aufeinander verlassen. So verließ ich mich darauf, dass mein Team eher aufsteht und meine Bande verließ sich wiederum darauf, dass ich den Wecker rechtzeitig für alle klingeln lasse.

Ich trieb alle so schnell wie möglich aus dem Bett. Das gemeinsame, gemütliche Nachmitternachtsfrühstück wurde somit gestrichen, denn ich entschloss mich dazu, auf dem Rad zu frühstücken. Trotzdem kamen wir erst verspätet in die Spur. Als ich dann den ersten kühlen Fahrtwind um die Nase verspürte, wurde ich auch langsam wach, obwohl ich in Summe nur ca. 3,5 Stunden Schlaf genießen konnte.

Ein gutes Gefühl stellte sich ein, als ich realisierte, dass die Nachtfahrt dieses Mal nur sehr kurz ausfallen würde. Dennoch beschlich mich ständig die Angst, dass mein Kreislauf sich um die Mittagszeit herum verabschiedet und es bevorzugt, andere Wege zu gehen.


Nach kurzer Zeit setzte etwas Regen ein, von dem ich zwar irritiert war, jedoch unbeirrt weiterfuhr.
Meine Haltung auf dem Rad wurde nun etwas flacher, damit ich dem Wasser so wenig Angriffsfläche wie möglich bot. Der Helm leitete das Wasser durch seine spezielle Form nach hinten weiter. Natürlich war ich nicht gegen das aufspritzende Wasser meines rotierenden Hinterrades geschützt, sodass der Anzug im Gesäß- und Nierenbereich schnell einweichte. Glücklicherweise hatte mein Rad Slickreifen, die nicht ganz so viel Wasser mitrissen. Innerlich war ich aber schon sehr beunruhigt, da ich Angst hatte, zu unterkühlen. Es war zwar nur noch dieser eine Tag, aber auch der könnte mich schnell in die Grippeschwäche zurückholen.

Der Regen ließ kurz nach und ich konnte einige Kilometer in Trockenheit fahren, bis dann der Himmel all seine Wolken mit einmal fallen ließ. Von da an ging gar nichts mehr. Ich flüchtete unter den nächstbesten Baum und musste die Sache ausstehen. Während des Wartens stellte sich das große Frieren ein. Es war schon kurios - vor wenigen Stunden stand ich kurz vor einem Hitzeschlag und jetzt fror ich wie im Winter.


Nach geraumer Zeit hatte es aufgehört zu regnen, sodass ich mich wieder warmstrampeln konnte. Leider ließ die nächste kleine Dusche nicht lange auf sich warten und so hieß es wieder Kopf runter vom Rad und durch. Langsam gewöhnte ich mich an diese Art Fahrradtour, auch wenn das Gefühl in den Radschuhen mit Wasser gefüllten Gummistiefeln glich. In den trockenen Phasen hoffte ich durch meine Körperwärme, die Sachen wieder trocken zu können, was sich auch gut anfühlte. Damit mich der Fahrtwind allerdings nicht auskühlen konnte, blieb ich in der flachen Fahrposition.

Am Vortag wäre dies aufgrund der großen Schmerzen nicht möglich gewesen. Zu meinem Erstaunen bemerkte ich, dass die Schmerzen des Vortages vollkommen gewichen waren. Dies faszinierte mich so sehr, dass ich die nächsten 100km damit verbrachte, den Körper innerlich immer wieder abzutasten. Weder Nackenschmerz, noch Schmerzen im unteren Rücken durch die flache Fahrposition. Sogar das Gefühl auf dem Sattel war super. Aus dieser Faszination heraus, schöpfte ich neue Energien für die nächsten Stunden. Fast unbemerkt waren wir in Holland eingefahren und ich war so glücklich über die schmerzfreie Zeit, dass mich die vielen Verfahr-Aktionen nicht wirklich aufregten. Durch die ständigen kurzen Regenschauer hatte ich keine gute Sicht auf die am Lenker befestigten Karten und auch im Versorgungsfahrzeug war manch verzwickte Ortsdurchfahrt ein Horror. So endete die eine oder andere Strecke im Matsch, durch den ich nur zu Fuß gelangen konnte. Das ist manchmal eben so, wenn man Strecken zuhause am Schreibtisch plant und die Realität Änderungen breit hält. So ist immer wieder auch ein klein wenig Abenteuer dabei.


Da mein Tacho immer wieder ausfiel, nutzte ich diesen nur noch für die momentane Geschwindigkeitskontrolle und nicht mehr für die Gesamtkontrolle. Irgendwie ergab sich hieraus aber auch ein entspannteres Fahren, da der Zeitdruck nicht mehr so offensichtlich war.

Die Fahrgeschwindigkeit lag weit höher als am Tag zuvor. Ich konnte fast permanent zwischen 35 bis 39km/h auf dem Tacho ablesen. Scheinbar meinte es das Wetter mit Rückenwind sehr gut. So konnte ich innerhalb von 10 Stunden ca. 30km Vorsprung herausfahren. Zeitvorsprung, der aber durch 2 Pannen ausgeglichen wurde.


Die Erste erlitt ich in Holland in Middelbeers, ca. bei Kilometer 155, wahrscheinlich durch dieses stauchende auf und Ab der Verkehrsberuhigungsplattformen. Als das Vorderrad in den Kurven ein leichtes Schlingern übertrug und härtere Stöße in den Lenker schlugen, entschloss ich mich dazu, kurz zu halten, um die Situation zu prüfen. Tatsächlich, es waren bestimmt nur noch 5 Bar auf dem Reifen. Erst wollte ich das nächste Vorderrad einspannen, entschloss mich aber, die Reparatur mit Pannengel schnell selbst durchzuführen. Ich nehme es vor weg: die Luft hält jetzt noch.


In Holland war recht früh am Morgen viel los auf den Straßen. Eine Radsporttruppe fuhr parallel auf dem Radweg ein wenig mit, obgleich sie nie richtig aufschließen konnte, denn ich hatte scheinbar beste Bedingungen und fuhr über 8km mit 39km/h. Fairerweise sei gesagt, dass ich permanent die flache Position inne hatte und die Straße, auf der ich fuhr, war sehr gradlinig und nicht durch Kreuzungsbögen der Fahrradwege, auf denen sie fuhren, behindert worden. Trotzdem verleiht es einem eine innere Kraft, dass ein Radsportteam (was unschwer an der gleichen Kleidung zu erkennen war) nicht mit einem Fahrer, der nunmehr fast 800km hinter sich gebracht hatte, mithalten konnte.

So putschte mich die Motivation derart auf, dass ich überhaupt nicht bemerkte, dass ich eigentlich schon seit über 24 Stunden im Sattel saß.


Völlig unbemerkt überquerte ich die Grenze nach Belgien und spulte leicht gelangweilt Kilometer für Kilometer und Streckenkarte für Streckenkarte ab. Der Reiz ging scheinbar verloren. Es gab keine Schmerzen, über die man sich Gedanken machen musste. Auch was die Ernährung betraf, hatte ich meinen Plan längst über den Haufen gehauen, denn ich fühlte mich voller Energie und Hunger hatte ich auch nicht. Es glich einem Fasten, bei dem man sich ohne Essen energetischer fühlt.

In Belgien nutzte ich ab und zu die Radwege zu Fahrtzwecken, da es sich hierbei lediglich um eine Verbreiterung der Straße handelt, die nicht von einem Bordstein oder einer Schlangenfahrt durchzogen war. Um den Verkehr nicht zu behindern, fuhr das Versorgungsfahrzeug ab und zu auch auf dieser Ebene.


Plötzlich bemerkte ich, dass mein Schalthebel sehr locker war und hielt ihn eine ganze Weile mit den Fingern gegen das Karbonrohr gedrückt, damit nichts Schlimmeres passierte. Es beunruhigte mich sehr. Es war ausgerechnet die hintere Schaltung, die oft benötigt wird. Im Gegensatz dazu hätte mich ein Defekt der vorderen Schaltung nicht weiter abgelenkt. Das Schalten versuchte ich jetzt tunlichst zu vermeiden, denn ein Totalausfall wäre für mich nur allzu enttäuschend gewesen. Sicherheitshalber hielt ich kurz an und befestigte den Schalthebel mit Klebeband um einen weiteren Schaden zu vermeiden.

Nach etlichen Kilometern lockerte sich die Schaltung allerdings dennoch und fiel komplett aus dem  Karbonrohr. Gehalten wurde sie nur noch vom Bowdenzug.


Dieser Vorfall zwang mich bei Kilometer 255 definitiv zum Stopp. Als ich den Defekt erkannte, hoffte ich, dass die sich losgerüttelte Mutter noch im Lenkerrohr steckte und nicht schon auf die Straße gefallen war. Leider fiel das Kleinteil nicht auf Anhieb aus dem Lenkerrohr, sodass ich professionelle Hilfe durch einen simplen Stock benötigte, denn in meiner Werkzeugnotbox war nichts vergleichbar Langes vorzufinden, um die Mutter herauszubekommen. Der erste Stock brach aber im Rohr ab und so wurde die Panik noch größer. Die kleinen Fingerchen meiner Tochter Lisa konnten die Stockreste jedoch wieder zu Tage befördern und mit dem nächsten Stock funktionierte unser Vorhaben bestens. Schnell war der Schalthebel wieder zusammengeschraubt und es konnte weitergehen.


Jetzt waren es nur noch 60km bis nach Antwerpen. Vor der Stadtdurchfahrt hatte ich ein wenig Angst, da ich wusste, dass der Verkehrsandrang, sowie die Möglichkeiten, sich zu verfahren, enorm hoch waren. Die Fahrt bis nach Antwerpen gestaltete sich kontinuierlich und angenehm, denn die Außentemperaturen stiegen wieder in „sachentrocknende Höhe“ an.


In Antwerpen angekommen, wurde die bekannte Huptechnik (1 x hupen = rechts abbiegen; 2 x hupen = links abbiegen) angewendet. Leider gab es in Antwerpen so viele Autos, dass ich oft den Hupklang des Versorgungsfahrzeugs mit anderen verwechselte und mich auf meinem Rad wunderte, warum mir erst links herum und dann doch wieder rechts herum signalisiert wurde. Da hieraus immer wieder die komischsten Fahrtrichtungskombinationen resultierten und durch Umleitungen in der Stadt die Navigation fast unmöglich schien, entschlossen wir uns dazu, die Positionen zu tauschen.

Nun fuhr das Versorgungsfahrzug vor mir her und ich musste diesem „nur noch“ folgen. Dies bedeutete für mich: immer dicht dranbleiben und bei Ampeln schnell mitfahren, sowie den blitzartig hinter dem Fahrzeug auftauchenden Schlaglöchern ausweichen.

Stets den Zeitdruck im Nacken, sind wir auf diese Weise durch Antwerpen gehetzt. Ich kann euch also nicht berichten, wie die Stadt aussieht, aber die Qualität des Straßenbelags bleibt mir vor Augen. Ein Teilabschnitt, in welchem ich den Zeitdruck wieder einmal als sehr unangenehm empfand.


Nach einer aufregenden Zick-Zack-Tour durch Antwerpen hatten wir nach einer scharfen Kurve eine Gabelung vor uns, die zur linken Seite in eine Art Unterführung zu gehen schien. Da das Versorgungsfahrzeug aber fest dem Navi folgte, gab es für mich keinen Zweifel. Kurz vor der Einfahrt erkannte ich noch den Schriftzug „Waaslandtunnel“ und das Zeichen für „Kraftfahrstraße“.

Also war die Straße auf keinen Fall für Fahrräder vorgesehen. Aber es war zu spät.

Als ich in den Tunnel einfuhr, trieb ich Peggy durch lautes Rufen dazu an, richtig Gas zu geben.
Es war dunkel im Tunnel und nur ein schwaches Lichtband verlief an der Decke. Mein Puls stieg rapide an, als ich unsere Geschwindigkeit und die Enge des Tunnels realisierte. Rechts gab es keinen Bordstein, sondern lediglich eine direkt am Straßenrand anschließende Fliesenwand. Links war gleich die Gegenspur ohne jegliche Abgrenzung. Außerdem war es furchtbar dunkel für meine Augen, die sich so fix nicht auf „Nacht“ umstellen konnten.

Der Abstand hinter dem Versorgungsfahrzeug betrug höchstens einen Meter. Ähnlichen Abstand hatte ich seitlich wahrscheinlich auch zur Wand. Der Adrenalinausstoß war fast unerträglich und bis in Arme und Fingerspitzen zu spüren, denn die hohe Geschwindigkeit konnte man in der Enge gut erkennen.

Der Gedanke daran, jetzt zu stürzen, in den Gegenverkehr zu geraten oder vom dicht gefolgten Verkehr überrollt zu werden, verstärkte das Gefühl um ein Vielfaches. Selbst jetzt beim Schreiben zittern mir noch die Finger.

Ein kleiner Fehler und ich hätte Antwerpens Verkehr lahm gelegt. Da ich nun in dieser „besch...“ Situation war, musste ich auch schnell durch und aus dem Tunnel heraus. Warum das eine oder andere folgende Auto dennoch wie verrückt hupte, konnte ich nicht verstehen, denn einen Fußweg oder eine Ausweichbuchte gab es nicht und ich ga mein Bestes, um hier so schnell wie möglich heraus zu kommen.

Umso größer war der Schock, als ich auf der Sohle des Tunnels den unglaublich steilen Anstieg sah.

Nun durfte der Windschatten um Himmelswillen nicht abreißen und die Geschwindigkeit musste so lang wie möglich ganz weit oben gehalten werden. Ich verkürzte den Abstand zum Auto ca. um die Hälfte und feuerte an, ja nicht abreißen zu lassen. Peggy musste jetzt gut nachkorrigieren. Eine Gratwanderung zwischen stätigem Langsamerwerden und dennoch am obersten Limit fahren, damit wir jeden Schwung der Tunnelsohle nicht verbrennen.


Letztendlich bin ich mit noch 40km/h ins Freie geschossen und nutzte direkt die nun anschließende rechte Spur, um zu stoppen. Der Tacho zeigte eine Höchstgeschwindigkeit von über 55km/h und einen Höchstpuls von 172 Schlägen und dies nach einer Strecke von nunmehr über 800km.


Die nächsten Städtedurchfahrten und Kilometer waren jetzt irgendwie unspektakulär und im Kopf brannte sich diese zuvor erlebte Tunneldurchfahrt stark ein. So machte ich mir eher Gedanken, bei kommenden Touren Großstädte zu umfahren oder mich bei der örtlichen Polizei über Streckenbefahrbarkeit intensiver zu erkundigen.

Die Grenze nach Frankreich passierte ich völlig unbemerkt. Die Straße führte Kilometerlang parallel einem Kanal entlang. Irgendwie hatte ich kein richtiges Grenzschild erkennen können, aber das Meer konnte ich bereits riechen. Letztendlich freute ich mich auf die bevorstehende Ankunft beim Eurotunnel. Die Temperaturen und das Wetter hatten sich mittlerweile in angenehmere Bereiche verschoben und so bin ich bei 19°C die letzten Kilometer durchgerollt.

Vor dem Eurotunnel mussten wir das Rad ins Auto verladen, da der Tunnel lediglich über die Autobahnabfahrt 42 erreichbar war.


Zur eigentlichen Zeitplanung lag ich zwar im Rückstand, denn ich war erst 18:45 Uhr im Eurotunnel, aber mit einem Plus von insgesamt 100km im Gepäck. Die Ankunftszeit in London ließ sich jetzt zwar mit Sicherheit nicht mehr einhalten, aber für die eigentlich geplante Streckenlänge von 1200km war die Zeitabweichung noch ganz akzeptabel.

Das Eurotunnelteam hatte meine Ankunft förmlich ersehnt, sodass wir nach der Zollkontrolle an allen wartenden Fahrzeugen vorbei, in den nächsten abfahrenden Zug und in eine extra Einfahrt nach ganz vorn geleitet wurden. Ab 13:00 Uhr wurde in jedem Zug ein Platz für uns reserviert.


Die kurze Zeit im Tunnel nutzte ich, um auch mal ein Foto von meinem kleinen Team schießen zu können. Danach verputzte ich einige Reserven Schokolade und konnte auch mal in Ruhe etwas Cola trinken. Viel leckerer, als der pausenlose Genuss etwaiger Sportgetränke. Viele Blicke zog auch mein durchgängiger Radanzug auf sich. Das eine oder andere Foto wurde zudem von Passagieren geschossen, die neugierig den den Autoaufdruck gelesen hatten.

Im Königreich angekommen, fuhren wir bis zur Anschlussstraße und packten dort das Rad wieder aus. Da meine Sachen nach wie vor klamm waren, bemerkte ich den Temperaturunterschied von 6°C deutlich. In England waren nur 14°C. Ich wollte schnell aufs Rad, um mich wieder warmzustrampeln. Dabei freute ich mich auf das Abenteuer „Linksverkehr“.


An den Verkehrsschildern konnten wir erkennen, dass die Autos hier nur 40km/h fahren durften. Jedoch schienen sie schneller an mir vorbeizufahren. Im Nachhinein habe ich festgestellt, dass in GB Meilen als Längeneinheit gelten und 40Meilen/h sind dann schon erheblich schneller.


Kaum ging es mir auf dem Rad wieder gut, setzte das typische britische Wetter ein und es fing an zu regnen. Jetzt war irgendwie alles egal, aber auch komplizierter, weil durchnässte Sachen und 14°C auf Dauer auf keinen Fall gesund sind. Zusätzlich verdunkelte sich der Himmel durch die Abendstunden schon so weit, dass ich gepaart mit Regen weder Karten noch Straßenverhältnisse erkannte. Ich musste mich auf das bewährte Hupleitsystem verlassen.

Problematisch war aber auch, dass Peggy bei Regen ebenfalls mit der Navigation und dem Linksverkehr zu kämpfen hatte. Hier und da kam auch wieder ein anderes hupendes Auto dazwischen, sodass ich manch Kreisverkehr auf anderen Straßen verlies, als das Versorgungsfahrzeug. Da ich aber immer schneller umdrehen konnte, fuhr das Auto den richtigen Weg, anstatt mir zu folgen.

Mittlerweile lief mir das Wasser wieder aus den Radschuhen heraus und ich konnte keinen Unterschied zu einer kalten Dusche feststellen, mal abgesehen davon, dass ich den Hahn nicht zudrehen konnte. Durch meine Brille hatte ich zeitweise gar keine Sicht mehr und die Straße spiegelte alles wider, sodass ich jedem Schlagloch völlig ausgesetzt war.


Immer wieder von Verfahr-Aktionen geschröpft und völlig durchgefroren, beschlossen wir, bei den eigentlich geplanten 1200km und Erreichen des Großraum London sicherheitshalber abzubrechen.

Uns jetzt noch stundenlang krampfhaft durchzufriemeln, erschien mir mit dem eigentlichen Radfahren nicht mehr viel gemein.

Bei Swanley wurde der Abbruch beschlossen, da wir unter den unwirklichen Bedingungen sonst unverhältnismäßig viel Zeit und Gesundheitsrisiko hätten in Kauf nehmen müssen.

Als dann alles im Auto verpackt war, merkte ich erst richtig, wie stark ich fror und zitterte. Der von der gesamten Strecke ausgebrannte Körper hatte es schwer, wieder alles auf Temperatur zu bringen. Das Wiegeergebnis bestätigte mit 5,5kg Verlust zum Startgewicht alle Befürchtungen.

Innerlich stellte sich aber dennoch ein warmes, zufriedenstellendes Gefühl ein, eine Strecke von 1200km in 48 Stunden und 50 Minuten bewältigt zu haben und nicht unbedingt mit bleibenden Schäden rechnen zu müssen. Klar waren die großen Zehen von den eigentlich zu engen Mountenbikeschuhen (meinen einzigen Radschuhen) blau und die Spitzen von den kleineren Zehen hatten vom Vorn Anstoßen ein taubes Gefühl, aber alles in Allem fühlte ich mich den Umständen entsprechend gut.

Ja und da war doch noch die Sache mit dem Ortrander Stadtwappen. Aufgrund der Kurzfristigkeit konnte ich das Wappen leider nicht persönlich dem Londoner Bürgermeister übergeben, aber die Mitarbeiter der deutschen Botschaft in London waren so fasziniert von meiner Aktion u. nahmen sich dessen an, um das Wappen bei Gelegenheit zur Übergabe zu bringen.



Die Strecke von Ortrand nach Rostock beträgt 400km u. war als Herausforderung wieder etwas ganz Besonderes. Als Ziel, diese Strecke in unter 12 Stunden zu schaffen, hat mir ein Absteigen aus Zeitgründen unmöglich gemacht. Das hieß 400km u. 12h durch weg treten u. treten u. treten.

Das Ortrander Stadtwappen habe ich natürlich als Geschenk für den Oberbürgermeister von Rostock mit im Gepäck gehabt.

Am 18.Oktober 2011 startete um 3Uhr eine neue Herausforderung. Genau genommen die 2. in diesem Jahr, denn eigentlich waren ja alle Energien nur für die London-Tour eingeplant. Da ich mich immer ein ¾ Jahr vor einer Extremstrecke durch intensivstes Training darauf vorbereite, erscheint es manchmal schade, die gute Kondition dann nicht noch weiter nutzen zu können, deshalb wollte ich diese Herausforderung unbedingt noch 2011 durchziehen.

Nach den 1200km könnte man denken, dass 400km ein totaler Rückschritt wären u. ich mich dabei ausruhen könnte, aber das Ziel, diese Strecke in 12 Stunden zu schaffen, wird mir auf anderem Level alles abverlangen. Da ich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mind. 33km/h unterwegs sein muss, werde ich nicht mal Zeit zum Absteigen haben. 400km ohne abzusteigen habe ich am Stück noch nicht gefahren u. somit kann diese Herausforderung ungefähr eingeschätzt werden.

In meiner Planung habe ich 2 Vorteile für mich erkennen können. Zum Einen ist es die ungewöhnliche Jahreszeit, denn ich bin ja sonst immer im Juni/Juli gestartet u. erhoffe mir damit das Verhindern einer Dehydrierung. Zum Anderen konnte ich die schweren Nachtstunden ausschließen, denn dabei ist fast komplett die Magentätigkeit eingestellt u. dadurch stünden keine Nährstoffnachschübe zur Verfügung.

Mein Start war für 3Uhr nachts geplant, da ich um 15Uhr einen Termin beim Oberbürgermeister von Rostock hatte. Meine Nacht war somit um 2Uhr zu Ende. Ehrlich gesagt habe ich ganz super geschlafen, da die 400km gegenüber der London-Tour etwas Endliches hatten u. mir nicht solche Angst wie die 1200km zufügten. Die einzige Angst die ich hatte, war auf dem Rad die ersten Stunden steif zu frieren, denn zum Start stand das Thermometer auf 5°C festgenagelt. Glück im Unglück: es war ja zumindest kein Frost.


Logischer Weise gab es um 3Uhr auch nicht den warmen Abschied einer Beifall klatschenden Fangemeinde (das wollte ich aber auch niemanden antun) u. dennoch gab es da jemanden, der schon vor mir am Kreisverkehr mit einem Fotoapparat u. dicker Kleidung auf mich wartete.  


Trotz meiner ganzen Zwiebelschichten, einem Nierengurt, einem Hals- u. Mundschutz war mir auch etwas kühl. Obwohl ich wusste, dass es beim Fahren durch den Fahrtwind gefühlt noch kälter werden würde, wollte ich einfach nur los, um innerlich doch wieder warm zu werden. 


Das hieß jetzt aber 400km u. 12h durchweg treten u. treten u. treten.
Das erste Ziel was ich hatte war die Dunkelheit u. somit die schlimmste Kälte ohne größere Probleme zu durchfahren, um mich dann auf die Planzeiten besser konzentrieren zu können. Bei den meisten Touren musste ich mich zwingen auf den ersten 100km etwas langsamer zu fahren, als ich es grad gekonnt hätte, da ich ja den Energiehaushalt gut einteilen musste, aber hier wollte ich mal so fahren wie es sich grad gut anfühlte. So sind auch auf den ersten 90km 38km/h rausgekommen. Leider war ich dadurch nicht schneller aus der Kälte raus, aber der Körper brannte heißer u. ich kam sogar ins Schwitzen, was vielleicht auch nicht so gut war, weil sich dadurch alles noch kälter anfühlte.

Wieder blieben die Gedanken bei Sarah hängen, für die ich jede Qual auf mich nehmen wollte, um so viel wie möglich Spendengelder zu sammeln, damit sie sich endlich die erwünschte Beinprothese leisten kann.


Leider gab es auf der monotonen Gefrierschrank-Tour nach 3,5h eine Abwechslung Höhe Treuenbrietzen, die mir zwar gut tat, aber ich dennoch nicht wollte. Eine Bahnschranke. Sie war geschlossen u. ich musste mich in die wartenden Autos einreihen. Die einzige Stelle, wo ich doch mal zum Absteigen gezwungen wurde, aber im Stehen wurde es wärmer u. der Lebensmut kehrte etwas zurück. Mein kleines Team nutzte gleich mal die Zeit zum Blase entleeren, da es diese Gelegenheit ja nicht nochmal bekäme. Meine war trotz der bisher getrunkenen 1,5 Liter irgendwie wieder leertranspiriert. Und wenn nicht, hätte ich die vielen Zwiebelschichten meiner Kleidung gar nicht ausziehen wollen, denn bei Zeitfahranzügen u. Co. ist kein derartiger Vorgang ohne Weiteres vorgesehen.

Die bisher hohe Geschwindigkeit gab aber auch Ansporn aus sportlicher Sicht u. so fuhr ich unbeirrt weiter. Nach ca. 4,5 Stunden sollte ja dann auch endlich der Tag anbrechen u. angenehmere Temperaturen mitbringen. Leider wurden in mir einige Lebensgeister ausgeblasen, als ich nach ca. 4h Fahrt in eine spürbar noch kältere Zone vor Brandenburg einfuhr. Als ich dann auch noch eingefrorene Scheiben an geparkten Autos sah, wollte ich lieber Frostschutzmittel statt Blut in meinen Adern. Es konnte aber nicht mehr lange dauern, bis ich etwas Wärme spüren könnte, denn der Tagesanbruch stand ja eigentlich kurz bevor.

Der Hals- u. Mundschutz, den ich meiner Ski-Kleidung entnommen hatte, ließ mich zwar nicht die ganz kalte Luft atmen, aber leider bekam ich dadurch nicht die benötigte Menge eingeatmet, die ich bei der Leistung benötigt hätte. Da ich aber Angst hatte ohne diesen zu lange, zu viel kalte Luft zu atmen, blieb mir die Wahl zwischen Ersticken u. Erfrieren u. so zog ich ihn bei Gelegenheit mal vom Gesicht runter.


Die Durchfahrt durch die Stadt Brandenburg war schön u. erwartet schrecklich zugleich. Schön waren das Tageslicht u. die Wärme einer Großstadt. Man kann kaum glauben für wie angenehm ich das empfand u. dabei waren es grad mal 9°C.                                

Schrecklich hingegen waren wieder die Straßen. Es waren immer noch die Betonplatten, die mit ihren Teerpuckeln zwischen den Stößen, mir jede Menge Schmerzen zufügten. Meine Reifen waren mit 11bar aufgepumpt, um wenig Reibung zu haben u. höhere Geschwindigkeiten fahren zu können, aber dort habe ich es verflucht. Jeder Stoß schlug komplett durch.


Brandenburg habe ich mit meinen Extremtouren mittlerweile schon zum 4.Mal durchfahren u. ich bin der Meinung, die Stadt könnte mir langsam mal Schmerzensgeld spendieren, oder sich großzügiger Weise an der Finanzierung der Prothese für Sarah beteiligen. Dafür würde ich, für die 2009 genau hier an der Havel-Brücke gebrochene Speiche, auch ein Auge zudrücken.


Da ich meinen Tacho jetzt sehen konnte wurde mir klar, dass ich zwar bisher auf dem Rad sehr schnell unterwegs war, aber dennoch knapp im Rahmen lag, da ich die 10min Bahnschranke gegen mich hatte. Obwohl ich wieder Teilabschnitt für Teilabschnitt als nächste Ziele vor mir hatte, war für mich die Halbzeitgrenze ein ausschlaggebender Punkt. "Wie steh ich nach 6h Fahrt bzw. welche Zeit würde ich bei Kilometer 200 haben?"


Die Halbzeitdurchfahrt bei Rathenow gab mir mehr Aufschluss. 5min Vorsprung waren es noch zur Planzeit. Ich fuhr bisher 5h 55min auf 200km. Würde der Zeitvorsprung u. die Kraft jetzt noch reichen, um bei 12h in Rostock einzufahren. Erschöpft war ich schon etwas durch Kälte u. hohe Geschwindigkeit, aber es durften keine Panne o. andere Unvorhersehbarkeiten mehr eintreffen.


Als 6.Frühstück gab´s ein Nutellabrötchen, denn ich habe zu jeder vollen Stunde etwas gegessen. Dabei merkte ich langsam, dass diese Art Nahrungsaufnahme schwerer wurde u. ich aufgrund der gesamten Anstrengung das Essen nicht mehr so einfach runter bekam. Essen u. dabei angestrengt Atmen ist eine Sache für sich. Dabei dauert das Essen eines Brötchens eine kleine Ewigkeit o. vielmehr ein paar Kilometer.


Trotzdem ging Höhe Pritzwalk bei 280km noch ein Eierbrötchen, bevor ich ganz auf Nektarine, Banane u. Co. umstellen musste.


Die höchsten Temperaturen von 14°C waren dann bei 320km Höhe Plau am See. Die habe ich aber nicht mehr richtig wahrgenommen, da mein Körper aufgrund der bereits 8h andauernden extremen Anstrengung u. dafür zu niedrigen Temperaturen schon sehr ausgemergelt war. Zudem waren die vielen Waldstücke immer schattig u. die dringend benötigte Sonnenwärme kam gar nicht zu mir durch.


Nichts desto trotz konnte ich noch gut motiviert weiterfahren, da die Bedingungen ja doch ganz gut waren. Angesichts letzter Wettervoraussicht vor dem Start, hätte es eigentlich schon seit Höhe Rathenow regnen sollen u. dann 200km im Regen ... Na das wär erst zum Jammern gewesen.

Irgendwie war mir das auch bewusst u. ich ahnte auch, dass ich nicht ganz ungeschoren davonkommen würde. Nachdem ich den Nationalpark Nossentiner-Schwinzer-Heide durchfahren hatte, zogen schon trübe Aussichten übers Land. Die Luft schmeckte zudem schon wieder kühler u. feuchter. Auf der ganzen Jagd bis nach Rostock hieß es jetzt wieder „noch schneller treten“, damit ich so viel wie möglich Kilometer noch im Trockenen absolvieren kann.

Bei Kilometer 350 in Hoppenrade fing es dann wirklich stark an zu winden, Da ich mit den aerodynamischen Laufrädern fuhr wurde es sehr ungemütlich. Ich musste mich so stark auf das Halten meines Lenkers konzentrieren, da die Böen jederzeit einen Sturz verursachen könnten. Der starke Seitenwind riss förmlich am Vorderrad u. ich hatte Angst einen Sturz in Kauf nehmen zu müssen.


Höhe Güstrow bei 360km gesellte sich nun endlich auch der Regen hinzu. Glück im Unglück war nur der Gedanke statt den erwarteten 200km im Regen nur noch 40km fahren zu müssen. Die Fahrbahn wurde jetzt auch noch rutschig dazu u. meine Gedanken drehten sich nur noch um den eventuell nötigen Wechsel der windanfälligen Laufräder - na zumindest vom Vorderrad. Aber die Schlacht durch den Wind hatte mich schon so viel Zeit gekostet, dass ich leider auf keinen Vorsprung mehr blicken konnte. Die Zeitdaten aus dem Versorgungsfahrzeug ließen keinen Wechsel zu.

Völlig durchnässt fuhr ich am Ortseingangsschild von Rostock vorbei. Die Klebebefestigung meiner Lenkerkarten hielt durch die Nässe auch nicht mehr richtig, sodass ich zwar ständig meine letzte Karte andrückte, sie aber dennoch in Rostock verlor.

Jetzt war ich wie in Großbritannien vom Hupsignal des Versorgungsfahrzeugs abhängig. Dann bogen wir in eine vollgestopfte Hauptstraße ein, die jegliches Zeitziel zu Grabe trug. Nach dem ich im doppelspurigen Stau einige Minuten mit geschlichen war, fragte ich einen Ortsansässigen nach dem schnellsten Weg zum Rathaus u. trennte mich vom Versorgungsfahrzeug. Meine Familie würde mit Navigationsgerät schon irgendwie da ankommen. Den Rostocker Oberbürgermeister wollte ich aber nicht warten lassen. Immerhin hatten wir 15Uhr einen Termin u. ich mit meinen 12h auch ein Ziel.


Meine Ankunft direkt vor dem Rathaus war dann um 15:10Uhr u. 401,5km. Damit hatte ich mein eigentliches Ziel unter 12h zu bleiben nicht so richtig geschafft. Wenn ich aber zurückblicke, dann waren da eine ca.10min geschlossene Bahnschranke, 2 Baustellenampeln, die vielen Ampeln in der Stadt Brandenburg, die nicht durch Grün mit mir kooperierten u. noch der Stau im Rostockerstadtverkehr, die ich so nicht einrechnen konnte.


Allein die Durchschnittsgeschwindigkeit von 34km/h wertete mein Ergebnis wieder auf. Somit habe ich für die 400km nur 11h45min auf dem Rad benötigt. Meinen Erschöpfungszustand kann ich ähnlich hoch werten, wie bei 600km mit warmen Temperaturen u. "nur" 30km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Ich klapperte am ganzen Körper u. es kamen Erinnerungen an die letzten Stunden der London-Tour auf.


Als mein Team dann auch vor dem Rathaus eintraf, waren viele Schmerzen vergessen u. von uns allen viel eine große Last ab.


Wie auch schon in London, habe ich das Ortrander Stadtwappen übergeben u. hoffe natürlich auch, dass mir Rostock bei meiner Spendenaktion eine gute Unterstützung sein wird. Gegenüber der Presse hatte ich auch die Gelegenheit über die Spendenaktion zu sprechen.


Auch das Rostocker-Rathaus hat mir ihr Wappen mitgegeben, was Ortrand-Rathaus aber per Auto erreichen wird u. nicht wie das Ortrander Wappen per Fahrrad in alle Welt getragen.