Spendentouren
Extremtouren chronologisch
Bisherige Sponsoren

Solange ein Motor gut mit Kraftstoff und Öl versorgt wird, solange wird er auch den Antrieb leisten. Die gleiche Denkweise liegt auch meinen Herausforderungen zugrunde. Der Muskel ist letztendlich nichts anderes.




Strecke: 405km                                                                                                      Lauchhammer - Brandenburg - Rathenow - Plau am See - Heiligendam


Strecke zur Ostsee.html

Dadurch, dass andere erfahrenere Sportler diese Aktion für unmöglich hielten, wurden meine Energien immer mehr darauf gebündelt. Irgendwie wollte man zeigen, dass man es doch schaffen kann. Der Trainingsstand war sicher nicht so berauschend, da ich ab und zu zwar mal geradelt war, aber das längste Stück war eine 77km Tour bei 34C und praller Sonne. Dies allerdings völlig unterzuckert und ohne Wasserflaschen, da ich eigentlich nur ein kurzes Stück fahren wollte. Danach war ich mir irgendwie sicher, dass ich dann auch 400km mit entsprechender Versorgung schaffen könnte.

Der Tag für die Herausforderung war schnell festgelegt - der 09.07.2006 - "Tag des Finales der Fußballweltmeisterschaft". Es war ein Sonntag - also keine LKW´s und ganz Deutschland war mit Fußball beschäftigt - also waren sämtliche Straßen für die Tour frei.

Der Tag begann 2Uhr mit einem reichhaltigen Frühstück. Es lief alles nach Plan, sodass der Start auch exakt 4Uhr war. Die ersten 50km erledigte ich im Blindflug, da mein Tacho keine Beleuchtung hatte, sodass ich meine Geschwindigkeit nach Gefühl eintakten musste. Nach 80km stellte ich fest, dass ich gegenüber den Berechnungen zu schnell war (32km/h) und daher auch nicht wusste, ob meine Kraft über die Distanz ausreichen würde. Es ließ sich dann tagsüber auf durchschnittlich ca.30km/h reduzieren.


In Brandenburg angekommen, ärgerte ich mich über die schlechten Straßen der Stadt, da man nach ca. 180km keine Lust hatte jedesmal vor Unwegbarkeiten abzubremsen und erneut anzutreten. Als ich einen kurzen Rückblick auf die bewältigen Kilometer nahm, wollte man an der Stelle einfach nicht noch einmal soviel fahren. Grenzen wurden langsam deutlicher. Trotzdem trieb mich das Neue u. Unbekannte, was Kilometer für Kilometer vor mir lag, vorwärts.



Da man ja sonst ganz allein mit sich, seinem spürbaren Puls u. gelegentlich mit einigen Gedanken war, war die Freude über die Sichtung des Versorgungsfahrzeugs jedesmal ein neues Erlebnis. Auch wenn der Ablauf jedesmal der Gleiche war: essen, Flaschentausch, Riegel fassen, weiter. War es auch jedesmal die einzigste Gelegenheit zu kommunizieren, denn danach wurde es wieder für eine Zeit lang sehr still.


Letztendlich kam ich 20.25Uhr in Heiligendam an und konnte feststellen, wie stark man durch die Sonne an einem Tag pigmentiert werden konnte. Danach wollte ich mein Rad erstmal nicht mehr sehen. Es verschwand für über eine Woche im Keller. Es war auch ungefähr die Zeit, die die Schmerzen in den Achillissehnen für sich beanspruchten. Die reine Zeit, die ich auf dem Sattel für diese 405km zugebracht hatte, lag bei 13h 25min.




Da ich 2007 ohne Ziel vor mich hin trainiert hatte, lediglich ein Einzelzeitfahren bei den "Seenland 100", ein Bergzeitfahren u. einen Triathlon bewältigte, festigten sich in mir immer mehr Gedanken über eine neue Herausforderung. Irgendwie kam ich dann auf eine Tour von Dresden nach Paris. Mit einer Distanz von ca. 1200km entsprach sie dem 3fachen der vorhergehenden Aktion. Es galt dabei einen Trainingsstand zu erreichen, der mich relativ locker einmal 400km fahren lässt, damit ich dies an den 2 darauffolgenden Tagen auch noch einmal ableisten kann. Das Training dafür begann schon im November 2007 u. ist das Spannenste von dem ich je erzählen kann, da ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, was mich erwarten wird. Für die Meisten ist es einfach unvorstellbar regelmäßig nachts 1-6Uhr zu trainieren, aber es war nur so möglich u. auch genau so nötig. 


Tourvorbereitung Paris.html




Strecke nach Paris.html

1.Tag

Der Tag der ersten Etappe begann um 1Uhr mit einem reichhaltigem Frühstück u. einer warmen Dusche. Die gröbsten Essensvorräte mussten noch im Versorgungsfahrzeug verstaut werden u. dann ging es mit 20min Verspätung in Richtung Startplatz.                   In Dresden konnte ich dann mit 12min Verspätung endlich auf die ersten 60km. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass innerlich die gleiche Aufregung u. Nervosität herschte, wie bei einem Kurzstreckenwettkampf. Das ist aber auch verständlich, wenn man Monate lang darauf hin geplant u. trainiert hatte u. dann endlich am Tag der Tat angelangt ist.


Der größste Teil der ersten Strecke von 60km wurde im Dunkeln zurückgelegt u. nach weniger als 2h gab´s die erste Pause. Bei dieser lies ich nur knapp 10min verstreichen, da ich ja noch etwas Zeit aufholen musste bzw. für die bergigen Strecken Zeit herausfahren wollte. 

Den nächsten Streckenpunkt passierte ich dann schon mit 15min Vorsprung. Alles lief nach Plan. Bis dann bei Altenburg (110km) ein großer Stein, den ich übersah, den Spaß beendete. Es gab einen derben Hieb im Vorderrad u. einen Schlag durch den ganzen Körper. Es war eine unübersichtliche Einfahrt in eine andere Straße. Ich wollte mich nur kurz vergewissern, ob das Versorgungsfahrzeug gut einfahren konnte u. da fand ich die Nadel im Heuhaufen (der einzigste Stein weit u. breit ca. 5x5cm). Nach sehr kräftigem fluchen, der sicherlich noch in Altenburg zu hören war, beobachtete ich voller Spannung das Vorderrad. Speziell die Breite der Lauffläche des Reifens. Nach u. nach musste ich erkennen, das sich diese ganz langsam immer mehr verbreiterte. Der Reifen war im A.... u. das Versorgungsfahrzeug war schon zum nächsten Streckenpunkt (123km) vorgefahren.

Nun galt es bis dahin mit allen Tricks durchzuziehen. Den ersten Teil der Strecke versuchte ich im Sprint zurück zu legen, um Zeit zu gewinnen, da die Luft nur langsam entwich. Als die Felge den Reifen schon sehr doll quetschte, verlagerte ich mein ganzes Gewicht auf das Hinterrad u. kam grad so zum Streckenpunkt. Zu meinem Ärgernis wurde die Ankunft bei Km 123 auch noch auf Video aufgezeichnet. Zum Glück stand der Kameramann nicht in meiner Reichweite:-).Unter ständigem Fluchen musste ich meine mittlerweile herausgefahrenen 21min für die Reparatur des schlauchlosen Reifens aufbringen. Die Ersatzreifen wollte ich nicht unbedingt aufziehen, da diese Handelsüblichen nur bis ca. 7,5 bar gefahren werden konnten u. ich aufgrund meines Körpergewichtes lieber mit mind. 10 bar fuhr.


Ein derartiger Ersatz lag auch nicht beim Händler auf Vorrat, sodass dieser nur direkt beim Vollgroßhandel vor Erfurt abgeholt werden konnte. Nach ca. 200km trennten sich somit die Wege zwischen mir u. dem Versorgungsfahrzeug bis km 283, da es erstmal hieß "neuen Reifen abholen!" u. für mich hieß es dem geplanten Streckenverlauf zu folgen.

Langsam stellten sich diverse Schmerzpunkte am Körper ein. Meine beliebte Achillissehne machte sich wieder bemerkbar. Auf so einer Tour hat man lange genug Zeit um darüber nachzudenken warum nur in der Linken der Schmerz entsteht. Langsam denke ich dahinter gekommen zu sein u. experimentierte mit der Fußbewegung. Die Schmerzen ließen schnell wieder nach, kamen aber sofort wieder, als ich in die altgewohnte Trittweise verfiehl. Problem war also erkannt: der linke Fuß wippte nicht so elegant mit wie der Rechte, was wahrscheinlich dazu führte, dass die Durchblutung auf der linken Seite im Verhältnis zur kontinuierlichen Belastung nicht passte. Also hieß es trotz Schmerzen die Bewegung zu verstärken. Leicht gesagt, aber man verfällt schnell wieder in den alten Trott, gerade weil es nur Nuancen in der Abweichung sind.


Danach lief alles wieder nach Plan. Als Flachlandtiroler u. relativ schwerer Radsportler machten mir die Bergefahrten aber schon zu schaffen. Zum ersten, weil man kontinuierliche Geschwindigkeitsanzeigen auf dem Tacho zwischen 35-42km/h gewohnt ist u. sich hier plötzlich 15-20km/h ansehen musste. Das brauchte schon eine gewisse innere Überwindungszeit bis man feststellte, dass die geplante Durchschnittsgeschwindigkeit darunter nicht wirklich viel litt und zum Zweiten machten die Abfahrten zu schaffen. Man wird es nicht glauben, aber ab 300km freut man sich über keine Abfahrt mehr, da man dabei wieder kalt wird u. aus dem kontinuierlichen Tritt kommt. Im Tal beim Neuantritt spürt man den ganzen Körper. Ein gewisser Muskel-, Sehnen- u. Gelenkschmerz steckt dann schon überall drin.

Die Abfahrten habe ich aus Sicherheitsgründen auf 65km/h beschränkt. Klar bin ich auch mal ausversehen einen Berg mit 83km/h hinunter gerollert, aber da hatte ich leider grad zuviel Konzentration auf die Straße gelegt, als den Tacho zu beobachten.                      Nach einer schönen langen Abfahrt, sah man mit tränendem Auge auf die Höhenanzeige u. wusste, dass der nächste Aufstieg wieder lang u. mühselig werden würde. Gerade aber auch dann, wenn man sich im Tal steif fühlt wie ein Huhn aus der Tiefkühltruhe. Da wären mir warme Außentemperaturen um die 33Grad lieber gewesen, als "nur" 18-20Grad. Aber durch die Trainingsstunden im April um 6Uhr morgens war man allerdings auch schon andere Sachen gewohnt. Also nicht jammern ... treten.


So wurden die letzten Kilometer des Tages bestritten bis mich ca. 30km vor geplantem Tagesende ein derart heftiges Gewitter überrollte, sodass erstens alles durchweg klitsch nass war, zweitens ich wie im Winter fror u. drittens die Gefahr bei derartigen Blitzen weiterzufahren zu groß war. Der wandelnde Blitzableiter wollte man da keines Falls sein. Also Abbruch der Tagesstrecke!!! Wir versuchten noch schnell eine Sauna aufzufinden, um die nächsten Tage nicht zu gefährden, denn nach der Tagesbelastung reagiert der Körper sehr schnell u. heftig auf Unterkühlung. Leider war das nach heutiger Sicht doch nicht so gut, da wertvolle Schlafzeit verloren ging. Statt der geplanten Schlafzeit von 20Uhr - 3Uhr kam ich leider erst 23Uhr in die Koje.

2.Tag

Der Wecker klingelte zwar 3.30Uhr wurde aber absichtlich wie in Trance überhört. Ich befand mich in einem Bewusstseinszustand, der durch hochgradig eingeengte Aufmerksamkeit oder durch stark herabgesetzte Wachheit gekennzeichnet war. Erstaunlich war zudem, dass mein Team ebenfalls keine Kraft u. Motivation schöpfen konnte, endlich der Wahrheit ins Gesicht zu blicken u. die nächste Tagestortur aufzunehmen. 5Uhr war dann der Spaß vorbei u. ich trieb alle raus, damit ich nicht zuviel später auf die Strecke kam.

6Uhr ging es dann mit 2h Verspätung in den nächsten Streckenabschnitt. Da war eigentlich schon klar, dass das Tagespensum von 400km eigentlich nicht mehr zu schaffen war. Doch der Ehrgeiz trieb mich schnell voran u. ich nahm mir vor, die Pausen so kurz wie nur möglich zu gestalten, um etwas Zeit aufzuholen. Der Tag begann sehr neblig u. die Hoffnungen lagen auf einem regenfreien Tag, obwohl ich immer auf ein Wetterchaos gewartet hatte, da mir am 03.06. schon zu Ohren kam, dass es für Mitteldeutschland Unwetterwarnungen gab. Aber wer hätte nach einem ¾ Jahr der Vorbereitung darauf schon gehört.


Trotzdem war es zu Anfang noch sehr kühl u. ich entschloss mich im Gegensatz zum 1.Tag meinen Hals etwas mehr zu schützen, da erstens leichte Halsschmerzen aufkamen u. zweitens der Hals ohne großartiger Bewegung u. Durchblutung ständig dem kühlen Wind ausgesetzt war.

So konnte ich die Morgenstunden neben den üblichen Schmerzen, die nach einer Ruhezeit auftreten, auch etwas genießen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit von 30km/h konnte konstant von Stützpunkt zu Stützpunkt gehalten werden.

Dann kam ein Schild, was mir jegliche Motivation kurzzeitig entriss: „Hochtaunusstrasse“.
Das Wort „Hoch“ sagte da schon alles, so mal ich mich gerade in einem schönen Tal befand. Mindestens eine ½ Stunde dauerte die Fahrt bergauf bei max. 15km/h. Zudem kamen dann auch schon die Mittagstemperaturen, die bei Bergauffahrt schon den Kopf drehen lassen.
Durst hatte man bei den Verhältnissen über das bisherige Maß, nur wollte man keine Hand vom Lenker lösen, da man dadurch aus dem kontinuierlichen Tritt kam.




Oben im Hochtaunus angekommen, gab´s den ersten ernst gemeinten Befehl per Telefon an das Versorgungsfahrzeug, die Kiste am nächsten Stützpunkt im Schatten zu parken. Meine witzige Androhung war diese: „Wenn die Kiste demnächst nicht im Schatten parkt, dann könnt ihr gleich wieder einpacken, denn dann fahr ich vorbei “.

Ein gewisser Frust hatte sich schon eingestellt, als die letzten beiden Haltepunkte mitten in der prallen Sonne eingerichtet wurden u. ich wär mit Sicherheit beim nächsten Punkt trotz leerer Flaschen weiter gefahren. Da hat man seinen Stolz nach insgesamt über 500km einen Anspruch auf einen entsprechenden Verpflegungspunkt zu haben.


Die Durchschnittsgeschwindigkeit hatte mit 1,5km/h unter dem Anstieg gelitten. Mein Tagesziel mit dem Spätstart u. dem Schnitt zu erreichen, war somit geplatzt. Die schnelle Abfahrt aus dem Taunus ließ die Durchschnittsgeschwindigkeit zwar wieder auf knappe 29,5km/h steigen, aber der Körper kühlte stark runter u. die Muskeln wurden härter bzw. die Bewegungen zähflüssiger.
Bänder, Sehnen u. Muskeln brauchten ca. 20km um wieder in den geschmeidigen Tritt zu kommen.



Es fehlten im Verhältnis nicht mehr so viele Kilometer bis zum Tagesende, doch da kam zu guter Letzt noch eine Vollsperrung auf unserer Route. Da die Ortsunkenntnis zu groß war, bzw. die Umleitung zu lang erschien, wurde entschieden das Rad ins Auto zu packen. Immerhin sollte das vorher organisierte Nachtlager noch bei Helligkeit erreicht werden u. reichlich Schlaf gab´s ja auch noch nachzuholen.Schließlich sollte der letzte Tag wieder nach Plan laufen.

3.Tag

Trotz der großen Müdigkeit, war der Körper nach ca.4h Schlaf wieder in einem Wachzustand u. ich musste durch den leichten Krach auf dem Wohnwagen feststellen, dass es sehr doll regnete. Immer wieder wurde ich aus dem Schlaf gerissen; der Regen schien nicht enden zu wollen. Meine Hoffnungen lagen darauf, dass wenigstens Früh zur Startzeit alles wieder trocken wurde. Doch da schien uns jemand einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen. Aufgrund permanenten Regens mussten wir neue Überlegungen anstellen.

1. Wir warten bis es aufhört, verschieben den Startzeitpunkt u. nehmen damit in Kauf, auch erst nachts in Paris einzufahren bzw. wir warten den nächsten Tag ab, aber dann hat man die Distanz nicht innerhalb 3Tagen geschafft.                                           ODER!!!                                                                                                                    2. Wir hoffen, dass sich die Wolken nur über der Eifel abregnen; fahren also per Auto aus der Suppe heraus u. ich schnall mich erst danach wieder aufs Rad u. nehmen damit in Kauf, dass einpaar Kilometer von der Gesamtstrecke fehlen. Aufgrund dessen, dass wir Mitten in der Einöde waren u. auch nicht wussten, ob bzw. wann es aufhören könnte, entschlossen wir uns im Team für die 2.Variante.


Der permanente Nebel u. Regen schien nicht aufhören zu wollen. Der Tag wurde innerlich langsam frustriert abgehakt. Einzigen Trost spendeten die Strassenverhältnisse, denn die waren keineswegs radsportfreundlich. Ich hatte bei der Planung schon auf Nationalstrassen hingeplant, um wie in Deutschland mit Bundesstrassen eine gute Fahrqualität Sicherzuwissen, aber das schien nach der Grenze wie weggewischt.

Erstens waren es reichlich Flickenteppiche u. zweitens war das Zeug so holperig u. grobkörnig, dass man beim Fahren bergab mit Wohnwagen auch noch Gas geben musste. Irgendwie war ich froh, über den Belag nicht stundenlang mit dem Rad drüber zu müssen.

Ca. 50km vor Paris lies der Regen dann nach, aber für diese kurze Reststrecke wollte keiner mehr das Rad zusammenschrauben. Die traurige Gewissheit ist nur, dass ich somit in 2Tagen rund 700km gefahren bin, was zur eigentlichen Gesamtplanung schlecht war, aber als 2/3 Teilabschnitt betrachtet, eine schöne Erfahrung u. gute Basis für neue Herausforderungen darstellt.

Das erwünschte Foto "per Rad vorm Eifelturm" hab ich somit vorerst nicht gemacht, aber es gibt ja auch schönere Sachen, als ein Rad :-).


Am nächsten Morgen schlief sich das Team den ganzen Stress von der Seele u. lies sich nicht wecken. Nur ich war in gewohnter Manier um 5Uhr in meiner Regelmäßigkeit schon wieder putzmunter u. wollte gleich die Morgenstunden nutzen, um per Rad eine Runde um Paris zu drehen.

Dabei hatte ich Zeit die Geschehnisse u. das Ergebnis zu verarbeiten. Irgendwie konnte ich mich innerlich nicht richtig damit abfinden u. wollte die momentan erarbeitete Kondition noch einwenig mehr ausnutzen.                                                                     Im Kopf bahnte sich somit eine neue Herausforderung an.



Lassen sich diese 700km auf einem Rundkurz auch innerhalb 24h zurücklegen?

Viele Sachen würden sich besser gestalten o. ausschließen lassen.                               - das Wetter wäre besser einplanbar                                                                             - ein gleichmäßigerer Tritt wäre möglich                                                                         - die Muskeln, Sehnen, Bänder wären gleichmäßig belastet u. blieben warm                    - die Versorgung wäre ständig sichergestellt                                                                   - usw.

Jetzt brauch ich nur noch die beste Strecke dafür u. die richtige Unterstützung, denn rechnerisch u. vom Willen her liegt es wieder im Rahmen der Machbarkeit. Somit müssen nur noch die körperlichen Grenzen darüber liegen.

Zeitpunkt: 25./26 Juli 2008 von/bis 21Uhr

Bei meiner Vorplanung hab ich mich für die Nachtstrecke auf einen beleuchteten Rundkurs in Dresden festgelegt. Von da aus wird es ca. 5Uhr nach 250km in Richtung Forst gehen. Nach dieser Distanz von ca. 130km wartet auf mich der nächste Rundkurs. Die traditionsreiche Radrennbahn wird mir für die nächsten ca. 200km zur Verfügung stehen. Ich hoffe, dass sich die Steilkurven der 400m Bahn, auf den dann schon müde gewordenen Körper, nicht zu belastend auswirken. In der Zeit von ca. 10-16Uhr will ich damit nach Zeitplan fertig werden. Sollten sich bis dahin keine Verletzungen eingefahren haben, dann würde ich die letzten Kilometer um Forst o. auf den Weg in die Heimregion abradeln. Viel Geschwindigkeit wird schätzungsweise dann nicht mehr möglich sein.
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Start des 24h-Marathon

Am Freitag versuchte ich vor 21Uhr noch reichlich Schlaf zu bekommen, um ausgeruht die nächsten 24h bewältigen zu können. Leider gelang es mir nicht, da noch reichlich Utensilien zu verpacken waren u. ich immer Angst hatte irgendetwas zu vergessen. Eine Schlafumstellung wie bei der Paris-Tour hätte sich hier nicht gelohnt, da man ja sprichwörtlich rund um die Uhr fit sein musste.




Als dann alles im Versorgungsfahrzeug verpackt war, ging es auf zum Startpunkt bzw. zum 1,1km langen beleuchteten Rundkurz für die Nacht. Es war zwar noch angenehm warm, aber ich entschied mich gleich für den langen Anzug, damit ich später für einen Wechsel keine Zeit aufbringen muss. Pünktlich 21Uhr trat ich in die Pedale. Aufwärmrunden hatte ich mir verständlicherweise erspart.




In meiner Planung hatte ich ca. 0,5l Flüssigkeit pro Stunde mit einer Salz-/Kohlenhydratbeigabe u. einen festgelegten Verpflegungsplan, der Stunde für Stunde abzuarbeiten war. Es handelte sich um gesplittete Mahlzeiten nach Kohlenhydraten, Fetten u. Eiweißen. Wir hatten uns abgestimmt, dass ich immer zur vollen Stunde die neue Trinkflasche gereicht bekam u. zur halben Stunde das Essen. So gab es immer wieder Zeitpunkte auf die man hinsteuern konnte, damit sich keine zulange Monotonie einstellt.

1.Stunde
Ich pegelte mich bei 31,2km/h ein. Die Kurven ließen nicht viel mehr zu. Es war noch hell genug u. ich konnte noch den ein o. anderen Stein aus meiner Idealspur entfernen lassen. Eine erste Schwierigkeit stellte sich bei der Übergabe eines mit Nutella gestopften Brötchens ein. Da ich von meiner Geschwindigkeit nichts abgeben wollte, stellte sich heraus, dass es schwer werden würde mir das Essen zu reichen. Zu doll wollte ich auch nicht zupacken u. so flog das erst Brötchen im hohen Bogen durch die Landschaft. Zum Glück entschied es sich nicht für meine Speichen, auch wenn ich dann wenigstens etwas von dem Nutella direkt in die Gesichtsregion bekommen hätte.

Unser nächster Einfall: Fliegende Übergabe, Peggy musste also immer nebenher flitzen. Wir hatten ja reichlich Zeit u. so wurde an der Technik gefeilt u. mir wurde nicht langweilig.
Die Übergabe der Trinkflaschen war dagegen einfach, da man fester zupacken konnte.

Zuvor hatte Peggy schon den Einfall die Brötchen nicht erst aufzuschneiden, sondern mit dem Belag zu stopfen. Damit konnte nichts herumschmieren, herauslaufen o. aufklappen.

2.Stunde
Ich war warm gefahren, der anfängliche Wind ließ nach u. ich konnte in dieser Stunde meine Geschwindigkeit auf 32,7km/h erhöhen. Die Sonne war schon beim Untergehen u. alle 20m schalteten sich die Lampen ein. Diese Lichtverhältnisse sollten nun für die nächsten ca. 5h so bleiben. In dieser Stunde gab´s ein leckeres Eierbrötchen, von denen ich gern mehr gegessen hätte, aber das Ei bringt leider zu wenig Energie. Es sollte lediglich Hypoproteinämie verhindert werden, denn verminderte Proteinkonzentration im Blut könnte eine Osmose des Wassers aus dem Gefäßsystem ins Gewebe verursachen, mit der Folge von Ödemen. 

3.Stunde
Es wurde merklich kälter, aber immer noch eine sehr angenehme Temperatur für die beginnende Nacht. Meine größten Bedenken lagen jetzt darin, dass ich durch kühle Temperaturen auf lange Sicht hin zu doll auskühlen könnte u. innerlich Energie zu verliere. Kurz vor 0Uhr entschied ich mich einen Halsschutz anzulegen u. den Zeitfahrhelm aufzusetzen, da er weniger kalte Luft an den Kopf ließ. Einwenig Muskeldehnung war nach 3h auch gleich mit inbegriffen u. nach ca. 6min ging es weiter. Dadurch kamen nur 26,9km in dieser Stunde hinzu. Für meinen Haferspezialriegel brauchte ich fast 5 Runden. Das Zeug ließ sich irgendwie unter Belastung nicht schlucken.


4.Stunde
In der 4.Stunde waren dann wieder 31km/h möglich. Jetzt begann ich die Zeit schon rückwärts zu zählen: nur noch knapp 4h bis zum Verlassen des Rundkurses. Sehr viel Spaß hatte ich mit meiner Nudelsuppe für diese Stunde. Das trinkflaschenähnliche Gefäß hatte ich im Triathlonlenker liegend geöffnet u. durch die Vibration schwapperte reichlich auf Griffe, Lampe usw. Also schnellst möglich aufrechte Position. Deckel in der einen Hand, Nudelsuppe in der Anderen, die Kurve kommt näher – wer lenkt? Wieder Triathlonposition usw.. Eine vorherige Übergabe ohne Deckel wäre aber mit Sicherheit für beide Seiten optisch nicht schöner gewesen. Da hatte man alle Details ausgeplant u. scheitert an einer Nudelsuppe. Mein grinsen darüber war bestimmt noch Runden später zu sehen.

5.Stunde
Die Geschwindigkeit senkte sich etwas ab u. lag bei 30,3km/h. Ich versuchte dies auch nicht unnötig zu erhöhen, da diese Geschwindigkeit für die Zielerreichung ausreichend war u. ich soviel wie möglich Energie aufsparen wollte. Es schwirrte immer wieder im Kopf herum „wird sie reichen, wie kann ich noch sparen“. Mein Puls hatte sich durchschnittlich bei 136 Schlägen pro Minute eingepegelt.
Es gab noch ein gekochtes Ei u. eine Banane.

6.Stunde
Hasen kreuzten meinen Weg. Die waren mit ca. 40km/h unterwegs. Ein Traum, wo meine Geschwindigkeit grad auf 29,9km/h absackte. Aber es waren nur noch knapp 100km zu bewältigen u. zur Sicherheit gab´s einpaar Mineralzusätze zusätzlich u. ein Brötchen mit Thunfisch in Öl.

7.Stunde
Auch in der Stunde konnte ich nur 29,9km zurücklegen. Die Ängste über die Nachttemperaturen gingen zurück u. langsam fühlte man sich so, als wäre man gerade erst losgefahren. Beschwerden hatten sich bis dahin nicht eingestellt, außer das man schon etwas den Sattelabdruck merkte. Ich war immer am überlegen, ob ich die 2.Radhose gleich drüberzieh, um damit Schmerzen zu vermeiden oder ob ich sie mir für später aufspare, da ich ja sonst nix weiter hätte. Ein Eierbrötchen gab´s sozusagen zum Frühstück.

8.Stunde
Auf den letzten Runden war ich voll motiviert. Die Sonne ging auf, der erste Abschnitt neigte sich dem Ende entgegen u. ich freute mich schon auf die ca. 130km nach Forst. In dieser Stunde konnte ich noch mal 31,1km zurücklegen.
Nach nunmehr 243km hatte ich für insgesamt 12min angehalten u. steuerte nun Böhla an, um eine warme Nudelsuppe, diesmal im Stehen zu trinken.

Dresden – Forst

9.-13.Stunde
Den nächsten Streckenabschnitt von 41km legte ich mit 29,6km/h zurück. Langsam kam der angesagte Gegenwind auf die Tagesordnung. Laut den Prognosen sollte es den ganzen Tag Ostwind geben u. ich wollte auch noch nach Osten. Aber wenigstens war er voller Wärme u. dass war mir grad lieber. Erstaunlich war, dass ich von meiner Vorplanung nach nunmehr 284km nur um -3min abgewichen war.


Bis Forst lief alles sehr gut. Das abwechslungsreiche einer Straßenstrecke war doch etwas anderes im Verhältnis zu einem monotonen Rundkurs. Aber irgendwie steuerte ich ja doch den nächsten Rundkurs an. Der noch kleiner sein würde. Aber durch das positive Trainingserlebnis auf der Radrennbahn freute ich mich regelrecht darauf.


Kurz vor Forst lag ich schon 7,5km vor meiner geplanten Zeit.

Zudem hatte ich schon 10min Pause zusätzlich eingerechnet, um nach knapp 13h u. 370km meinen langen Anzug auszuziehen u. alles für die Bahn fertig zu machen.


Da blieb sogar n´bissl Zeit, um die Beine mal hoch zu legen.

Meine bisherige Durchschnittsgeschwindigkeit ohne Pausen lag etwas über 31km/h. Mit Pausen bei 29,75 u. durfte nicht unter 29,2 fallen, da ich sonst die 700km in den Windschreiben konnte. Aber die Rennbahn sollte mir in den nächsten 200km durch eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit auch einen Zeitvorsprung verschaffen.


Radrennbahn

13.-17.Stunde
Nach dieser Pause setzte ich das Rad 13min früher als geplant auf die Bahn. Jedes längere Sitzen wäre fatal, da innerlich der Drang zum Sitzen bleiben u. Ausruhen immer größer wurde.


Voller Euphorie spulten sich die ersten Kilometer mit durchschnittlich 36km/h ab. Ich nahm etwas Geschwindigkeit raus, da es sonst nicht lange gut gegangen wäre. In der nächsten vollen Stunde sollte sich alles wieder so Einpegeln, wie schon in Dresden. Die Essensaufnahme erwies sich aber als viel komplizierter. War ich auf der Innenspur der Bahn unterwegs, so konnte ich nicht in Triathlonposition fahren u. auch nicht einhändig, um in Ruhe in kleinen Happen die Verpflegung aufzunehmen. Die Betonstöße der Steilkurveplatten rüttelten mich reichlich durch u. verlangten ein hohes Maß an Konzentration um sich keinem Sturzrisiko auszusetzen.

Wenn ich aber in die höheren Regionen der Kurve wollte, so musste ich größere Geschwindigkeiten an den Tag legen u. das wurde immer schwerer.


So entschied ich mich zum Essen anzuhalten u. mich auf der Bahn auf die richtige Geschwindigkeit zu konzentrieren bzw. die Zeit vorher herauszufahren.

Nach und nach merkte ich, dass es nun immer schwerer wurde in der Steilkurve zu fahren. Den Schwung der Kurvenausfahrt musste ich über die Gerade mitnehmen, um dann wieder in der nächsten Kurve mit Energieaufwand in der mittleren Bahnbreite zu bleiben. Den zusätzlichen Energieaufwand habe ich nach u. nach zu spüren bekommen.

Ich entschied mich im Innenkreis der Bahn zu verbleiben, da dort die Höhe u. der Tritt gleichmäßig waren. Dafür bekam ich aber wieder die Plattenstöße in den Armen u. auch auf dem Sattel bzw. den engen Radius zu spüren u. konnte manchmal grad 28km halten. Also wieder Druck in die Oberschenkel u. hoch in die Runde. Dort fuhr ich zumindest 31-33km/h. In den Pausen merkte ich, was ich gemacht hatte.

Diese wurden, ohne dass jemand auf die Uhr sah, mit Wahrscheinlichkeit immer länger bzw. waren schon zu lang. Das ist der Preis, wenn man dann einmal absteigt.


Ein weiteres Problem kam hinzu. An dem Tag lagen die Temperaturen weit über 30°C u. mein Vorteil, auf der Rennbahn etwas Windunabhängiger zu sein, wurde mir zum Verhängnis, da sich der Kessel der Betonwände sehr stark aufheizte. Ich befand mich ja auch zur heißesten Tageszeit darauf.

Meine stündliche Flüssigkeitszufuhr funktionierte als Durstlöscher nicht mehr. Ich hatte das Gefühl völlig auszutrocknen. Dabei war ich auch am Überlegen, ob die bisher stündliche Salzzufuhr zu hoch war u. jetzt erst zu spüren war. Schlussfolgerung: sofort nur klares Mineralwasser, um Gegenzuwirken. 

Den Anzug mit Wasser zu übergießen brachte nur kurzfristig ein erfrischendes Gefühl, auch wenn dabei zu spüren war, dass sich sonst alles im u. am Körper gut anfühlt u. nur der Kreislauf durch die Hitze belastet war.

Mein Spezialgetränk durch reines Mineralwasser auszutauschen war letztendlich scheinbar doch nicht so gut, da ich plötzlich eine Unterzuckerung zuspüren bekommen habe u. ich ein so starkes Verlangen nach einer kalten Cola bekam, dass ich in die Gaststätte der Rennbahn stürzte, um schnell Erlösung zu finden. Das war aber leider alles schon zu spät – es setzte ein übermannendes Müdigkeitsgefühl ein. Ich konnte einfach nur nachgeben, da die Geschwindigkeit sonst zu stark absinken würde. Da ist es doch besser sich kurz auszuruhen u. danach frischer u. schneller wieder weiter zu fahren. Die Augen klappten im Schatten wie in Narkose sofort zu u. nach ca.30min kam ich etwas ausgeruhter wieder zu mir.


Sofort entschied ich mich für eine Weiterfahrt außerhalb der Rennbahn.

Nach knapp 100km auf der Rennbahn u. insgesamt 465km hatte ich zuviel Zeit eingebüßt. Mit dem notwendigen Schlaf fiel meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Rennbahn auf 21,5km/h.

Im Gesamten hieß es jetzt knapp 27km/h also gut 2km/h unter dem Zielschnitt. Wahrscheinlich schon zu spät für die Notbremse, aber bei dem Wetter vielleicht auch ein wenig zu entschuldigen.                                                             

Forst - Böhla

17.- 20.Stunde                                                                                                  Sichtlich geschwächt, aber dennoch getragen vom Wind, ging es wieder in die heimatlichen Trainingsgegenden, um dort die letzten möglichen Kilometer auf der Trainingsrunde abzuleisten. 

Das ist fürs Auge nicht sehr anspruchsvoll, da man die Gegend schon in u. auswendig kennt, aber wenn man Benzin beim Versorgungsfahrzeug sparen muss, da Paris schon reichlich gekostet hat, dann ist das die einzigste Möglichkeit.

Auch ab u. zu mal das Versorgungsfahrzeug vor mir zu wissen, brachte mich sehr schnell dem Heimatort entgegen. 

Dort angekommen wären die letzten verhältnismäßig wenigen Kilometer bestimmt auch machbar gewesen, wenn da nicht nach 541km u. 19:43h ein Reifenplatzer die Strecke unterbrochen hätte.


Ein Reparaturversuch schlug fehl. Dafür war der Schlitz auf der Lauffläche zu groß.  

Der noch vorhandene defekte Reifen von der Paris-Tour hielt seine Luft auch nur für relativ kurze Zeit. Kraft u. Lust für einen Wechsel bzw. für zwischenzeitliches Wiederaufpumpen waren weitestgehend bei Null, so dass ich den Abbruch einläuten musste.

Rechnerisch blieben mir noch über 4h, sodass ich es bei der bisher abgelieferten Durchschnittsgeschwindigkeit bis auf 660km in 24h hätte schaffen können. Der Zeit/Kraftverlust in Forst war an diesem Tag zu stark. An anderen Tagen hingegen hätte mir die Bahn einen wunderbaren Windschutz bieten können.

Letztendlich, ganz traurig bin ich nicht, da es eine neue Bestleistung ist u. sich die bisherigen Erfahrungen so gut bewährt haben, dass ich schon fast am nächsten Tag hätte wieder aufs Rad steigen wollen. Klar ist der Sattelabdruck 1-2Tage danach noch etwas zu sehen u. natürlich zu spüren, aber es ist bestimmt auch kein geeigneter für solche Langstrecken.

 Großer Dank geht wirklich an die Radsporttrainer u. Organisatoren der Radrennbahn in Forst für die nette Aufnahme u. Unterstützung. Ohne die fachlichen Tipps vom ehemaligen Sprinter u. jetzigen Kinder- u. Jugendtrainer Peter Otto hätte ich vielleicht schon eher aufgrund körperlicher Grenzen beenden müssen. Er hatte sich vorher im Training meine Sitzposition u. Bewegungen genauer angesehen u. nachgebessert bzw. ich versuchte alles so umzusetzen. Mein bisher größtes noch ungeklärtes Problem „Achillessehne“ war damit auch erledigt, denn ich hatte keinerlei Schmerzen.Muskelkater war nur leicht zu spüren u. der Kreislauf ließ sich einen Tag mehr Zeit, um wieder auf sein sportliches Maß zu kommen. Alles in allem bin ich jetzt schon wieder gespann, was als nächstes auf mich wartet.


Die diese Herausforderung war die noch offene und durch technischen Defekt Unerfüllte aus 2008: 
700km, zurückgelegt an einem Stück, innerhalb 24h


Das Konzept - DK.html
         

Strecke nach Dänemark.html

Da ich für diese Herausforderung Unterstützung durch die Fa. Vestas bekam, wurde die Strecke von Lauchhammer bis Ringköbing (Dänemark) etwas ausgedehnt. Lauchhammer u. Ringköbing sind zwei Produktionsstandorte der Fa. Vestas die es somit per Rad zu verbinden galt. Die Gesamtstrecke lag nun bei 775km


Der Tag der Herausforderung stand im wahrsten Sinne ganz im Zeichen des Windes. Es herrschten am 11.07. für eine so lange Radtour zu starke Winde von 22km/h bei Böen bis 38km/h. Die kamen auch noch hauptsächlich aus westlicher Richtung. Somit hatte ich permanent Wind von seitlich vorn. Eigentlich geh ich bei solch starken Winden nicht einmal unbedingt zum Training auf´s Rad, aber jetzt war ja alles geplant u. sehr intensiv vorbereitet.

Auf den Langstrecken fahr ich gern bei einer Temperatur von ca. 28°C. Dabei ist der Fahrtwind nicht zu kühl u. man verbraucht nicht zu viele Kalorien für die Körpertemperatur.

Aber wie sollte es anders sein – die Außentemperatur lag am 11.07. bei 17°C. Als hätte es diese enorme Strecke nicht so schon in sich, musste man mir noch durch starken Wind u. Kühle sozusagen Steine in den Weg legen.


Ein Zurück gab es jedenfalls nicht mehr u. ich beschloss alle Tricks der Aerodynamik auszupacken, um halbwegs gut vorwärts zu kommen. Mein langer Zeitfahranzug (eher auch um den Körper auf besserer Betriebstemperatur zu halten), die Überschuhe, der Zeitfahrhelm  u. der Aerolaufradsatz, damit es sowenig wie möglich Verwirbelungen gibt. Allerdings blieb ich beim Standardvorderrad, da mir der Wind sonst die Steuerung beim breiten Vorderrad zu schwer gemacht hätte u. die Sturzgefahr zu hoch gewesen wäre.


Punkt 12.00Uhr war der „Abflug“ u. ich hatte die vorerst schwerste Strecke mit totalem Gegenwind bis Elsterwerda vor mir. Danach ging es zumindest in nordwestliche Richtung weiter und das zum Teil auf der Strecke von 2006.


Dabei freute ich mich alte Erinnerungen an die Strecke zur Ostsee erwachen zu lassen.

Nach u. nach merkte ich allerdings, dass es diesmal etwas anderes war. 2006 hielt ich alle 40km für die Nahrungsaufnahme u. Dehnübungen an u. nahm mir durchschnittlich 15min Zeit dafür. Diesmal sah ich die alten Rastplätze nur kurz an mir vorbeisausen.
Aufgrund des „Zeitdrucks“ blieb es mir für diese Aktion verwehrt dort  anzuhalten.                                                                                                               Die Essen- u. Getränkeübergabe funktionierte über das Begleitfahrzeug ca. alle 33km. Wer meinen Bericht von 2008 gelesen hat, den kann ich beruhigen – auch das Essen auf dem Rad (Nudelsuppe) wurde soweit perfektioniert, dass mein Rad nicht mehr den größten Teil davon abbekam.


Noch etwas war anders. 2006 reduzierte ich meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf den von mir vorher errechneten Wert, da ich Angst hatte zu übersteuern u. die Ausdauer dadurch für die gesamte Distanz von damals 405km nicht reichen könnte. Diesmal fuhr ich das was ging. Nicht selten waren Strecken lang 38km/h dabei, die durch manch Windböe wieder stark gebremst wurden.

Bei Kilometer 80 lag ich mit 33,2km/h sehr gut im Schnitt u. durfte ein paar Kilometer der Schnellste auf der Strecke sein, da ich als Einziger eine lange Auto u. historische Traktorenkolonne links überholte.

Das Beifallklatschen der Ortsbewohner, die alle am Straßenrand saßen u. standen, gab zusätzlich Energien. Mein Versorgungsfahrzeug musste leider im Korso zurück bleiben u. holte mich auch erst nach etlichen Kilometern wieder ein.


Langsam näherte ich mich Brandenburg. Ein Ort der mir aus 2006 noch gut bekannt war. Als Erstes, weil die Straßen durch Betonplattenstöße sehr schlecht waren. Ich nehme es Vorweg – da hat sich nichts geändert:-(.

Als Zweites weil die Streckenbelastung (160km) in Brandenburg schon spürbar wurde. An den Ampeln kam ich damals nur langsam (vergleichbar mit einer alten Dampflok) wieder in die Gänge.


Diesmal in Brandenburg angekommen war ich überrascht, dass noch kein vergleichbares Anzeichen von Ermüdung zu spüren war. Voller Elan ging ich über die Anhebung der Havelbrücke aus dem Sattel in den Wiegetritt.

Fast oben abgekommen gab es ein für mich fürchterliches Geräusch.
Sofort war mir klar – Speichenbruch. Von meinem Herzen war übrigens auch gleich ein Stück mit abgerochen, da nur eins in meinem Kopf herumgeisterte: „Jetzt schon bei 165km ein Radwechsel u. noch ca. 600km mit dem Ersatzlaufrad…“
Zum Glück war das Versorgungsfahrzeug direkt hinter mir u. der Wechsel war in 2min vollzogen. Trotz verursachten Staus in der Hauptverkehrszeit, hatte nicht ein Auto gehupt.                                                                                                                                     Im Gegensatz zu den vielen „Hupern“ auf der Strecke durch Brandenburg.
Da ist bei dem schei… Wetter mal ein Radsportler auf der Bundesstraße mit hinterherfahrendem Begleitfahrzeug unterwegs (übrigens schneller wie manch 25er Auto) u. es muss durch Hupen u. grölen gezeigt werden, dass man stört o. das manch angrenzender Radweg zu benutzen ist.

Es sei dazu gesagt, dass es nur in Brandenburg so war.

Hätte ich die Radwege benutzt, dann wären mir wahrscheinlich die Ersatzreifen ausgegangen, da oft Glas, Müll u. Splitt der Autofahrer darauf liegen. Zusätzlich hätte ich die Strecke nach Dänemark nie verwirklichen können, da solch ein Radweg nicht immer hohe Geschwindigkeiten zulässt u. beim ständigen Wiedereinfahren der Straße größere Gefahren bestehen.
Auf solch einer langen Strecke hat man ja so seine Zeit, um über einiges Nachzudenken u. die Intoleranz mancher Autofahrer, die vereinzelt vielleicht mal 15Sek. auf den Überholvorgang warten mussten, die meisten aber aus voller Überholfahrt rumhupten, machte irgendwie keinen Spaß.


Die psychologische Belastung die vor dieser langen Strecke noch mit bestand, wurde nach u. nach geschälert, als ich selbst bei über 200km kaum Ermüdung spüren konnte.

Allerdings wusste ich aus Erfahrung, dass bis 400km vieles noch Spaß ist u. darüber hinaus die große Kunst beginnt.                                                                                Der Zeitfahrhelm, der bisher sehr gute Dienste leistete, musste zwischenzeitlich mal wieder runter, da er sehr  exakt anliegt u. normalerweise nur für eine Stunde benutzt wird. Ich hatte Angst, dass der Druck am Kopf auf Dauer Kopfschmerzen auslösen könnte. Für die Nachtfahrt wollte ich ihn unbedingt wieder benutzen, da keine kalte Luft einströmt, sondern durch ein ausgeklügeltes System nur die warme Luft am Kopf nach außen abgesaugt wird.
An einer Bahnschranke wartend nutzte ich auch gleich die Zeit für etwas Dehnung.


Bei Kilometer 266 rollerte ich mit ca. 25min Vorsprung relativ gemütlich den Haltepunkt für den Wechsel auf Nachtbekleidung an. Das Ganze habe ich um eine Station nach vorn verlegt, da es mittlerweile für mich zu kalt wurde.

Dabei zog ich mich nach dem Zwiebelsystem an, brachte reichlich Melkfett an die Halspartie, da ich meinen Nackenschutz vergessen hatte u. die Tagestemperaturen schon einen steifen Nacken verursachten. Die Nachttemperaturen sollten zwischen 8-10°C liegen u. somit würde das kein Spass werden.


Es wurden alle Vorbereitungen für eine Nonstop-Durchfahrt der Nacht bis Kilometer 500 getroffen.

Sämtliche Trinkflaschen wurden aufgefüllt, das Essen in greifbare Nähe gerückt, die Beleuchtung angesteckt u. die Unmengen von aufputschenden Energie-Getränken für Peggy im Begleitfahrzeug bereitgelegt, denn ca. 7h mit durchschnittlich 33km/h im Auto bei Nacht, klang für mich schwerer, wie die Belastung die vor mir lag. Zudem galt es auch nicht unbedingt durch Sekundenschlaf den Radfahrer vor sich zu überrollen.


So ging ich nach ca. 15min umgerüstet auf die nächsten Streckenabschnitte. Die Nachtorder für das Begleitfahrzeug lautete „permanent als Streckenbeleuchtung u. Sicherung dicht  hinter mir“.

Toll eingehüllt kam ich in den letzten Abendstunden dadurch noch leicht ins Schwitzen.

Zweimal hatte ich fast hautnahe Berührung mit Rehen, die am Straßenrand ein paar Sprünge parallel mit mir mithielten. Dann war ich denen scheinbar zu schnell u. sie blieben einfach stehen.


Dann begann das „warten“ auf die Nacht. Ich verfolgte immer den letzten hellen Streifen am Horizont, als wär es der letzte Faden an dem man sich hält. Unterdessen wurden Abstandsabstimmungen beim Begleitfahrzeug vorgenommen, damit ich beste Lichtverhältnisse habe.

Das Fahrzeug musste zudem etwas versetzt zu mir fahren, damit mein Schatten nach rechts außen weggeht u. mich die Trittbewegung im Schatten bis morgens nicht hypnotisiert hätte.


Ca. 21.30Uhr stellte sich ein belastendes Völlegefühl ein u. ich hatte auch keinen Appetit mehr. Daher beschloss ich meine nach Plan geregelte Nahrungsaufnahme zu unterbrechen u. meinen Magen wieder leer zu fahren.

Somit fuhr ich dem Halbzeitziel 0Uhr straff entgegen. In der größten Erwartung mit Zeitvorsprung in die 2.Runde zu gehen.

Da in der Nacht selten Wind weht o. zumindest stark zurück geht, wollte ich auch in der schwersten Phase noch gute Zeiten fahren. Nur leider konnte ich meine Geschwindigkeit vom Tacho nicht mehr ablesen u. fuhr somit immer am obersten Limit, da ich Angst hatte zu viel Zeit zu verlieren.

Auch meine Karten, die tagsüber am Lenker befestigt waren, waren nicht mehr zu erkennen. Somit wurde es eine sehr stupide Fahrt, in der Hoffnung bald wieder Licht am Horizont zu erkennen.

Für die Richtungsweisung gab es immer ein Hupsignal des Begleitfahrzeugs – 1x für rechtsrum u. 2x für linksrum.

Ca. 23.30Uhr geschah das eigentlich Schlimmste was nie passieren darf.

Unterzuckerung!!! Zu spüren durch leichte Schwäche u. ein etwas schwindliges Gefühl. Trotzdem beschloss ich noch bis 0Uhr durchzuhalten. Die 30min bis 0Uhr waren aber auch die Schrecklichsten.

Der Appetit war noch nicht da u. langsam wurden die Unterarme u. Unterschenkel durch zu starke Unterzuckerung  taub. Ich konnte mich grad so bis 0Uhr auf dem Rad halten ohne durch das Schwindelgefühl in Schwierigkeiten zu geraten.


Als dann das erlösende Hupsignal vom Begleitfahrzeug kam, sprang ich förmlich vom Rad u. durchsuchte das Auto nach Zucker.

Etwas Schokolade u. ein Kohlenhydratgel brachten in nur 5min wieder Belebung in die Glieder. Auf das süße Spezialgetränk u. feste Nahrung hatte ich aber immer noch keinen Appetit. Belebt hatte mich aber auch der Fakt, dass ich inzwischen 30min Vorsprung hatte. Leider schmolz der auch wieder durch die ausgiebige Halbzeitpause auf 15min ab.

Regen verschaffte mir dann auch noch eine teils schöne aber durch die Außentemperatur von 10°C unangenehme Erfrischung.
Als dann die ersten Sonnenstrahlen wieder zu erkennen waren, konnte man jedes Grad der Temperaturveränderung sofort spüren.

Nach nunmehr ca. 500 Kilometern u. der Nachtfahrt, war der Körper schon stark abgekühlt u. wir steuerten eine Tankstelle an, um kurz aufzuwärmen. Der letzte herausgefahrene Vorsprung war somit futsch. Da ich in der Nacht nur sehr wenig gegessen hatte u. nur durch Kohlenhydrate meinen Zuckerspiegel oben hielt, stellte sich auch ein Durchfall mit ein. Vielleicht auch durch die sauer gewordene Hühnersuppe, was ich leider zu meinem Ärger erst nach der halben Flasche bemerkte.


Mittlerweile war der Sattel nicht mehr unbedingt mein Freund. Es traten einige Schmerzen beim sitzen auf. Zudem saß der Zeitfahrhelm schon 10 Std. auf dem Kopf u. tiefe Abdrücke waren an der Stirn zu sehen. Für eine Umstellung auf Tagsachen war es aber immer noch zu kalt.


Ich zwang mich nach u. nach wieder Essen zu mir zu nehmen, auch wenn während der Fahrt immer schwieriger wurde. Mein Durchschnittspuls lag mittlerweile seit 19 Stunden bei 137 Schlägen/min.

Jetzt wär ich in der Lage gewesen jederzeit sofort einzuschlafen.

Der Kampf gegen die Schwäche u. gegen die Uhr hatte also begonnen.

Trotzdem entschied ich mich ab 8 Uhr alle Stunde zum Essen anzuhalten. Die Straße, die nach Dänemark rein führte, war die einzige große Bundesstraße an der westlichen Seite u. somit auch gut befahren. Aus Sicherheitsgründen war es daher immer besser nicht mehr an die linke Seite des Begleitfahrzeugs zu fahren u. zur Nahrungsaufnahme anzuhalten. Meine Planzeit rutschte dabei unweigerlich jeweils um 5-8min ins Minus.

Nach 24h 25min war die700km Marke erreicht.

Der Verkehr auf der dänischen Staatsstraße sehr hoch, mein Blutdruck im Keller mein Schmerzpegel an mehreren Stellen betäubend u. die Müdigkeit durch permanenten Zuckermangel so übermannend, dass ich beschloss am Straßenrand liegen zu bleiben.

Es war ein sehr erlösendes Gefühl, dass der Kampf gegen die Zeit zu Ende war, auch wenn ich 25min „vertrödelt“ hatte. Eigentlich wollte ich die restlichen 75km bis zum Endziel Ringköbing noch ruhig angehen, aber ein Magnet hielt mich am Boden fest.

Mittlerweile hatten schon 2 Autos angehalten u. gefragt, ob sie Hilfe holen sollen, was ich sehr aufmerksam fand, aber die einzigste Hilfe war für mich der Schlaf. Ich war ja nun schon seit mehr als 30 Std. wach u. davon 22h 5min mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 31,75km per Rad unterwegs.

Na ja u. was soll man als Unbeteiligter denken, wenn ein Radfahrer am Straßenrand liegt u. nicht mehr viel zappelt …?


Nach einer schönen Dusche u. 3h Schlaf war ich optisch nur noch an der Stirn vom Zeitfahrhelm gezeichnet, aber glücklich etwas geschafft zu haben, was vorher nur auf dem Papier geplant war u. sehr viel Respekt einflößte.

Auch aus der Strecke sind wieder Erfahrungen entstanden, die zu neuen Zielen motiviert haben.